"Die Ardennen (auch Ardenner Wald, von keltisch Arduenna ‚Hochland‘) sind der Westteil des Rheinischen Schiefergebirges. Das mit der Eifel zusammenhängende, ausgedehnte Waldgebirge erstreckt sich grösstenteils über den Südosten der belgischen Region Wallonie, in kleineren Teilen auch auf die Staatsgebiete von Luxemburg (Ösling) und Frankreich (Département Ardennes). Im Osten und Süden ein raues Bergland, flachen die Ardennen nach Westen und Norden hin sanft ab.
Die Ardennenoffensive 1944/45, deutscher Deckname Unternehmen „Wacht am Rhein“, war ein Versuch der Wehrmacht, den westalliierten Armeen eine grosse Niederlage zuzufügen und den Hafen von Antwerpen zurückzuerobern. Ohne den Hafen hätten die Alliierten nicht die Nachschubmengen anlanden können, die sie für ihren weiteren Vormarsch brauchten. Die Ardennenoffensive gilt als die vorletzte deutsche Offensive an der Westfront im Zweiten Weltkrieg."
"Die Normandie ist eine französische Region. Das Gebiet gliedert sich in das untere Seinegebiet nördlich von Paris und das Land in Richtung Westen mit der Halbinsel Cotentin. Zur Region Normandie gehören die französischen Départements Calvados, Eure, Manche, Orne und Seine-Maritime. In der Normandie leben 3,3 Millionen Menschen (Stand 2012).
D-Day und die Schlacht um die Normandie: Am 6. Juni 1944 landeten die West-Alliierten an den normannischen Stränden. Der D-Day war der Beginn der Operation Overlord – Einer der grössten Militäroperationen der Menschheitsgeschichte. Ziel war es, die deutschen Besatzer aus Nordfrankreich zurückzudrängen und dort eine feste Basis aufzubauen."
Nach der Absage der Motorradtour in Nepal spüre ich das Verlangen, etwas mit meinem eigenen Motorrad zu unternehmen. Eine Gegend soll es sein, wo ich noch nie war. Als Geschichtsinteressierter und Vielreisender besuche ich auf meinen Reisen oft Museen, auch zum Thema Krieg. Terry, mein australischer Co-Schwiegervater, machte 2019 eine Europa Reise, auch zu den Gräberfeldern des ersten Weltkrieges. Er recherchierte, wurde fündig, so dass er das Grab seines, in jungem Alter gefallenen, Gross-Onkels besuchen konnte. Charles William Baker aus Warrnambool wurde während der Battle of Mouquet Farm in einem Schützengraben erschossen. Durch solche Erzählungen und anderen Quellen inspiriert, gedeiht der Plan, die Ardennen und die Normandie als Zielgebiete zu definieren.
Auf der Tour soll es auch Platz für Nicht-Kriegsthemen haben. Als erstes werfe ich einen Blick auf die Europakarte, google nach den Kriegsschauplätzen und skizziere eine erste Tour Variante. Danach suche ich nach den Top-Sehenswürdigkeiten entlang dieser Strecke. Zusätzlich schreibe ich einige deutschen Töff-Bekannte an und bitte um Tipps für Routen und Sehenswertes. Mit diesen gesammelten Informationen aktiviere ich BaseCamp und definiere meine «Ardennen, Normandie & more»-Tour für mein Garmin Navigationsgerät.
Mit gesammelten Informationen aus dem Internet, sowie den Distanz- und Stundenangaben vom Navi, beschreibe ich in einer Word-Datei die insgesamten 56 Wegpunkte und die geplanten Besichtigungen. Hier ein Ausschnitt davon:
Nachdem die Gesamtroute steht, muss ich diese auf vernünftige Tagesetappen runterbrechen; der Zeitraum der Tour ist gegeben. Nebst den Fahr-Kilometern und -Zeiten berücksichtige ich die Dauer der Besichtigungen. Diese Aufgabe löse ich mit einer Excel-Tabelle.
Als letztes suche ich die Hotels. Ich buche nur solche mit Bezahlung vor Ort, Stornierungsoption sowie Essensmöglichkeiten, sofern sie nicht fussnah in einer Stadt liegen. Diese Hotelangaben füge ich ebenfalls in die Tourenplanungen ein.
Die rund 3'100 Km lange Tour auf 14 Tage verteilt, gibt im Schnitt angenehme 223 Km pro Tag. Es sollte also genügend Zeit für Besichtigungen zur Verfügung stehen.
Und klar, kümmere ich mich um die Covid-Einreisebestimmungen der vier Ländern. So fülle ich das für Belgien verlangte "Passenger Locator Form" (Passagier-Lokalisierungsformular) elektronisch aus. Im Tankrucksack liegt die eidesstattliche Erklärung "Attestation de déplacement et de voyage" für Frankreich bereit.
Das Wetter meint es gut mit meinem Start.
Um zehn Uhr bin ich soweit und bringe das Gepäck in die Garage und auf den Töff: Die bewährten Satteltaschen, erstmals die wasserdichte Hecktasche, den Tankrucksack und das Navigationsgerät.
Das Navi am Lenker und das Kommunikationssystem am Helm aktivieren und den Helm aufsetzen. Ich höre über die Lautsprecher im Helm die Bestätigungen, dass Handy und Navi mit dem Helm verbunden sind. Motor anlassen, Schlüssel abziehen und im Tankrucksack verstauen, die Handschuhe anziehen und im Navi die Route starten. Es kann losgehen ... Nanu, das Navi rechnet und rechnet. Ich fahre trotzdem los, Richtung Rotkreuz und dort auf die Autobahn A14. Irgendeinmal ist das Navigationsgerät fertig mit rechnen und stellt fest, dass ich falsch fahre, denn bei der Planung habe ich "Autobahn vermeiden" definiert. Bis Basel ignoriere ich die Einwände, danach folge ich den Anweisungen von Garmin's "Deutsch-Anna". Bevor ich die Schweiz verlasse, klingelt es in meinem Helm. Ich nehme den Anruf entgegen, halte mich aber kurz. Das hätte also auch funktioniert.
Frankreich
"Amtlich la République française, ist ein demokratischer, interkontinentaler Einheitsstaat in Westeuropa mit Überseeinseln und -gebieten auf mehreren Kontinenten. Der europäische Teil von Frankreich erstreckt sich vom Mittelmeer bis zum Ärmelkanal und zur Nordsee sowie vom Rhein bis zum Atlantischen Ozean. Sein Festland wird wegen der Landesform als Hexagone (Sechseck) bezeichnet. Frankreich ist flächenmässig das grösste und nach Einwohnern (hinter Deutschland) das zweitgrösste Land der Europäischen Union. Paris ist die Hauptstadt und als Agglomeration mit dem Gemeindeverband Métropole du Grand Paris und den umliegenden Gebieten der Region Île-de-France grösster Ballungsraum des Landes vor Lyon, Marseille, Toulouse und Lille."
Die Grenze Schweiz-Frankreich passiere ich ohne jegliche Kontrolle; ich werde auch nicht angehalten. Zuerst fahre ich auf einer Schnellstrasse, danach auf der "Route des Vins d'Alsace". Diese führt mich durch kleine und hübsche Orte. Es fällt auf, dass viele der Ortschaften mit "heim" enden.
"Die Elsässer Weinstrasse ist eine der ältesten Touristenstrassen in Frankreich. Sie wurde 1953 eingerichtet und erstreckt sich auf 170 km Länge durch das Weinbaugebiet Elsass in den Départements Bas-Rhin und Haut-Rhin. Der Routenverlauf ist durch ein Orientierungs-Emblem gekennzeichnet (goldene Traube mit Weinglas und Unterschrift „Route des Vins d'Alsace“). Die Elsässer Weinstrasse verläuft in strikter Nord-Süd-Richtung am Fuss der Vogesen und damit am Westrand der Oberrheinebene. Damit bildet sie die südliche Fortsetzung der schon 18 Jahre länger ausgewiesenen Deutschen Weinstrasse.
Deutschland
"Vollform des Staatennamens seit 1949 Bundesrepublik Deutschland, ist ein Bundesstaat in Mitteleuropa. Er besteht seit 1990 aus 16 Ländern und ist als freiheitlich-demokratischer und sozialer Rechtsstaat verfasst. Die 1949 gegründete Bundesrepublik Deutschland stellt die jüngste Ausprägung des deutschen Nationalstaates dar. Bundeshauptstadt und Regierungssitz ist Berlin. Deutschland grenzt an neun Staaten, es hat Anteil an der Nord- und Ostsee im Norden sowie dem Bodensee und den Alpen im Süden. Es liegt in der gemäßigten Klimazone und verfügt über 16 National- und über 100 Naturparks."
Die Grenze Frankreich-Deutschland nehme ich nur über ein entsprechendes Strassenschild wahr. Kurz darauf, es geht gegen fünf Uhr zu, erreiche ich Saarbrücken, wo mich das Navi zu meinem gebuchten Hotel führt. Dort werde ich herzlich empfangen, auch meine Kawasaki ist willkommen.
Im Zimmer veranstalte ich zum ersten Mal eine Art organisierte Unordnung, nehme eine Dusche und mache mich zum Ausgang fertig.
Mein Hotel liegt, nicht ganz zufällig, in der Nähe vom St. Johanner Markt.
"Der St. Johanner Markt mit seinen Boutiquen, Kneipen, Bistros und Restaurants ist das Herzstück des Saarbrücker Lebens. Hier trifft man sich oder man bummelt durch die malerischen Gässchen rund um den Markplatz. Seit 1978 ist der Altstadtbereich Fussgängerzone."
Noch gönne ich mir keinen Apéro, da ich noch etwas sehen möchte. Ich laufe über die Alte Brücke, die mich auf die andere Seite der Saar bringt.
Für die Besichtigung vom Historischen Museum bin ich zu spät dran. Schade, der Beschrieb tönt interessant: "Erlebbare Reise in die Vergangenheit: Vierzehn Meter unter dem Saarbrücker Schlossplatz wartet das Historische Museum Saar mit einer Überraschung auf. Besucher können in die unterirdische Saarbrücker Burganlage aus Mittelalter und Renaissance hinabsteigen und dort faszinierende historische Bauten entdecken: Teile der mittelalterlichen Burg, eine Schiesskammer, Wehranlagen und Kasematten aus dem 16. Jahrhundert, ein im Burggraben errichtetes Ballhaus sowie ein Verlies. Die Bollwerke und Kasematten lagen über Jahrhunderte unter der Erde verborgen und sind nun ins Museum integriert. Tauchen Sie ein in das beeindruckende Ambiente und durchwandern Sie die original erhaltene Unterirdische Burg."
Vorbei an der Friedenskirche komme ich auf den Platz der barocken Ludwigskirche.
Töff Fahrer sind sicher keine Engel, aber froh um einen mitfliegenden Schutzengel.
Ich gelange wieder auf den St. Johanner Markt zurück, diesmal ist es Zeit für einen Apéro.
Hunger meldet sich bei mir, den ich im ältesten Restaurant von Saarbrücken, dem Gasthaus zum Stiefel, zu stillen gedenke.
"Ludwig der Vierzehnte regierte noch in Versailles, Preussen war eben Königreich geworden, die Völker Europas sahen sich in den spanischen Erbfolgekrieg verwickelt. Wir sind im Jahre 1702, im Anbeginn eines neuen Jahrhunderts, das uns die köstlichen Schätze des Barock, hervorragende Gestalten der Geschichte, Literatur und Musik bescherte. Hier in Saarbrücken gründete damals Johann Daniel Bruch, Nachfahre einer alteingesessenen Familie, eine Brauerei. Im Nebengebäude hatte ein Schuster namens Nickel Kiefer gerade ein Gasthaus eröffnet, das er aus naheliegenden Gründen „Zum Stiefel“ nannte. Und er hatte ein schönes Töchterlein, in welches sich besagter Daniel Bruch verliebte: der Ursprung der Brauerfamilie BRUCH und der Stiefel-Gastronomie. Über nunmehr neun Generationen besteht die Brau- und Gasthaus-Tradition in den alten Gemäuern."
Jedoch, ich stehe vor geschlossenen Türen. Später klärt mich die Webseite auf.
"Der Stiefel bleibt dauerhaft geschlossen! Die Gründe sind der Verkauf der Immobilie am St. Johanner Markt mit einer Veränderung der Pachtsituation und die seit über einem Jahr Corona-bedingten Einbussen. Die Entscheidung, die Betriebsstätte „Gasthaus Zum Stiefel“ und Stiefel Bräu nicht mehr unter der Leitung der Familie Bruch und somit der Stiefel Gastronomie GmbH zu öffnen, fiel nun schweren Herzens . Wir denken mit Freude an die vielen gemeinsamen Jahre mit Ihnen, unseren Gästen und mit unserem Stiefel, einem Saarbrücker Original, zurück. Wunderbare Erinnerungen hängen an diesem Haus, viele Menschen haben unseren Weg gekreuzt, viele sind geblieben. Viele Liter Bier wurden hier gebraut und genossen, viele „Gefillde“ verzehrt und viele schöne Stunden und Lebensabschnitte gelebt. Wir werden es schmerzlich vermissen, Sie in diesem traditionsreichen Haus zu begrüssen, aber sind dankbar für die unzähligen Male, die wir in der Vergangenheit die Gelegenheit dazu hatten …".
Enttäuscht laufe ich umher, kann mich lange nicht entscheiden, schlussendlich betrete ich ein mexikanisches Restaurant.
Beim Aufstehen kann ich es gemütlich nehmen, öffnet die Völklinger Hütte erst um 10 Uhr und es ist nur eine halbe Stunde bis dort hin.
"Die Völklinger Hütte ist das weltweit einzige vollständig erhaltene Eisenwerk aus der Blütezeit der Industrialisierung und zugleich das erste Industriedenkmal dieser Epoche, das in die Welterbeliste der UNESCO aufgenommen wurde. Sie präsentiert sich Ihren BesucherInnen als hochspannender und faszinierender Ort, an dem sich Vergangenheit, Gegenwart und Zukunft auf vielfältigste Weise begegnen. Die historischen Anlagen der Roheisenproduktion sind in der Völklinger Hütte komplett erhalten. Mehrere Kilometer Besucherwege führen zu Meilensteinen der Technikgeschichte wie dem einmaligen Erzschrägaufzug, den gewaltigen Gebläsemaschinen und der Sinteranlage. Die Völklinger Hütte ist eine Erfahrung mit allen Sinnen. Man kann sich vorstellen, wie es sich angefühlt haben muss, im ohrenbetäubenden Maschinenlärm der Gebläsehalle zu arbeiten oder am Abstich zu stehen, wenn mehr als 1'000 Grad heisses Roheisen aus den sechs Hochöfen geflossen ist. Ein besonderes Erlebnis ist neben dem gigantischen Gewirr der Rohre der Aufstieg auf die Aussichtsplattform über den Hochöfen in 45 Meter Höhe. Von dort kann man die gesamte Industrielandschaft des Weltkulturerbes überblicken."
Ich freue mich sehr auf diese Besichtigung. Das Eintauchen in eine fremde Welt lässt meinen Puls stärker schlagen. Nach dem Parken nehme ich den Tankrucksack und den Helm und laufe zum Eingang.
Beim Bezahlen des Eintritts von 17 € frage ich, wo ich mein Gepäck deponieren kann. Ich bekomme einen Schlüssel.
Der Rundgang beginnt in der grossen Gebläsehalle.
Hochöfen sind, wie der Name es andeutet, hoch. Das Treppensteigen beginnt.
Irgendeinmal gehts wieder runter.
Helm, Helm, but not the same.
"Paradies: An vielen Stellen auf dem weitläufigen Gelände haben sich Flora und Fauna ihr Terrain zurückerobert. Und so ist das Weltkulturerbe Völklinger Hütte als exemplarischer Ort der Industrialisierung zugleich auch ein Ort der Natur. Am augenfälligsten wird dies im Paradies, der grünen Wildnis auf dem ehemaligen Gelände der Kokerei."
Es erinnert mich an meinem Besuch 1996 in Kambodscha: Angkor Watt des 21. Jahrhunderts.
Keine Ahnung, wofür dieses Gefährt benutzt wurde.
Ich bin am Schluss der Besichtigung angekommen und werfe einen letzten Blick auf die sehr eindrücklichen Anlagen.
Auf der Weiterfahrt fahre ich über Orscholz. Wollte ich fahren, aber eine Brücke ist gesperrt. Das bringt mein Navi nicht aus der Ruhe, aber das ewige "Wenn möglich bitte wenden" nerven mich. Als ich glaube, am Ziel zu sein, versperrt eine weitere Baustelle das Weiterkommen. Das Navi will, dass ich durch die gesperrte Strasse weiterfahre. Ich bin froh, als ich bei einem Haus um Orientierungshilfe fragen kann. Kurze Zeit später parke ich. Vom Parkplatz gelange ich nach einem kleinen Spaziergang zum Aussichtspunkt. In voller Töff-Montur und zusätzlich den Tankrucksack tragend - da sind alle wichtigen Dinge drin - nicht unbedingt ein Genuss. Aber dann sehe ich, was ich sehen wollte: Die Saarschleife. "Deutschlands schönste Flussschleife. Für viele Saarland-Besucher bleibt der Blick auf die Saarschleife für immer unvergessen. Vom Aussichtspunkt „Cloef“, oder vom Baumwipfelpfad aus, liegt das kleine Naturwunder dem Betrachter atemberaubend schön zu Füssen."
Auf der Weiterfahrt überquere ich in Remich die Mosel. Auf der Brücke realisiere ich, dass ich nun in Luxemburg bin, verläuft doch die Grenze Deutschland-Luxemburg im Fluss.
Luxemburg
"Das Grossherzogtum Luxemburg (luxemburgisch Groussherzogtum Lëtzebuerg) ist ein demokratischer Staat in Form einer parlamentarischen Monarchie im Westen Mitteleuropas. Das Land hatte Mitte 2021 rund 640'000 Einwohner. Das Grossherzogtum gehört zum mitteldeutschen Sprachraum. Nationalsprache ist Luxemburgisch, zusätzliche Verwaltungs- und Amtssprachen sind Standarddeutsch und Französisch. Bis 1890 wurde das Grossherzogtum in Personalunion vom niederländischen König regiert und während der beiden Weltkriege vom Deutschen Reich besetzt. In der Folge nahm es nach dem Zweiten Weltkrieg eine führende Rolle bei der europäischen Integration ein und wurde zum Gründungsmitglied der NATO, UNO und der Europäischen Union. Gemeinsam mit seinem Nachbarstaat Belgien und den Niederlanden bildet Luxemburg die Benelux-Staaten."
In der Hauptstadt Luxemburg ist nur eine Besichtigung geplant, die Aussicht vom "schönsten Balkon Europas", die Corniche.
"Die Corniche verläuft auf den von Spaniern und Franzosen im 17. Jahrhundert errichteten Wällen entlang des Alzette-Tales. Der Weg zieht sich vom Bock-Felsen bis zum unteren Teil der Heiliggeist-Zitadelle, den sogenannten Rondellen. Bis 1870 war die Corniche an steil abfallenden Stellen mit Treppen versehen; erst nach der Schleifung wurden diese eingeebnet. Auch ein Grossteil der mit Schießscharten versehenen Schutzmauern musste weichen und gab somit den Ausblick frei auf das Tal der Alzette, den Stadtteil Grund und das Rham-Plateau."
Wie wenn sie hier zu Hause wäre, führt mich die Garmin-Dame zielsicher hoch.
Auf Empfehlung von Sabine, einer deutschen Motorrad-Beifahrerin, die ich auf der Motorrad-Tour durch Ladakh kennen lernte, fahre ich durch die Region Müllerthal. Die "Kleine Luxemburger Schweiz" überrascht mit ihrer wilden Natur und ihren imposanten Felsenlandschaften. Die Strasse schlängelt sich durch Wälder, an Flüssen und Bächen entlang. Das Kurvenfahren ist so schön, ich vergesse anzuhalten um zu fotografieren. In Echternacherbrück/D endet mein Abstecher.
Aus zeitlichen Gründen überspringe ich das nächste Ziel Vianden; die Besichtigung der Burg würde zuviel Zeit in Anspruch nehmen.
In der kleinen luxemburgischen Stadt angekommen, fahre ich direkt zum Musée National d'Histoire Militaire (Nationales Museum für Militärgeschichte). Der Eintritt beträgt 5 Euro.
Der Schwerpunkt des Museums ist die Ardennenoffensive in Luxemburg im Dezember 1944 und Januar 1945. Auf über 3'000 m² Ausstellungsfläche werden verschiedene Szenen dargestellt. Diese ermöglichen einen Einblick in die damalige dramatische und tragische Lage, in welcher sich Soldaten und Zivilisten befanden. Waffen, Uniformen und militärischen Ausrüstungsgegenstände, originale Rad- und Kettenfahrzeuge, zahlreiche persönliche Gegenstände, Fotos, Dokumente und Karten. Das Museum befindet sich im Gebäudekomplex der “Alten Brauerei” in Diekirch.
Die 7,5-cm-Panzerabwehrkanone 40 (PaK 40) war während des Zweiten Weltkrieges ab 1942 eines der am häufigsten verwendeten Panzerabwehrgeschütze der deutschen Wehrmacht.
"Der Ausbruch des zweiten Weltkrieges brachte eine grosse Nachfrage nach Motorrädern - auch in den USA. So produzierte Harley-Davidson während der Kriegsjahre anstelle der Zivilmodelle rund 100'000 Militärmaschinen vom Typ WLA mit 750 ccm Hubraum."
Das Museum zeigt auch die Geschichte der Luxemburger Widerstandskämpfer 1940 - 1945.
Das war nun mein erster Besuch eines Museums über den Zweiten Weltkrieg auf dieser Tour. Sehr interessant und eindrücklich, macht mich aber auch betroffen und nachdenklich.
"Als Zweiter Weltkrieg (1. September 1939 – 2. September 1945) wird der zweite global geführte Krieg sämtlicher Grossmächte im 20. Jahrhundert bezeichnet. In Europa begann er am 1. September 1939 mit dem von Adolf Hitler befohlenen Überfall auf Polen. In Ostasien befand sich das Kaiserreich Grossjapan bereits seit Juli 1937 im Zweiten Japanisch-Chinesischen Krieg mit der Republik China und ab Mitte 1938 in einem Grenzkrieg mit der Sowjetunion. Der japanische Überfall auf Pearl Harbor Anfang Dezember 1941 hatte den Eintritt der Vereinigten Staaten in den Zweiten Weltkrieg und den Beginn des Pazifikkriegs zur Folge, in den auch die europäischen Kolonialmächte verwickelt wurden. Im Kriegsverlauf bildeten sich zwei militärische Allianzen, die als Achsenmächte und Alliierte (Anti-Hitler-Koalition) bezeichnet werden. Hauptgegner des nationalsozialistischen Deutschen Reiches waren in Europa das Vereinigte Königreich mit dem Kriegskabinett von Premierminister Winston Churchill an der Spitze sowie (ab Juni 1941) die unter der Diktatur Josef Stalins stehende Sowjetunion. Viele Historiker argumentieren heute, dass der Zweite Weltkrieg erst mit dem Eintritt der USA zu einem Weltkrieg wurde, da dieser im Jahr 1941 die vorher regionalen Kriege in Asien (1937) und Europa (1939) miteinander verband."
Das Wetter-App prognostiziert es, der Blick aus dem Fenster nach dem Aufstehen bestätigt es, nach dem Frühstück ist die Entscheidung definitiv: Regenkombi. Ich hole meine Kawasaki VN 2000 aus dem nahen Parkhaus und fahre vor dem Hotel unter den Unterstand; so kann ich geschützt packen.
Morgen Montag haben die meisten Museen (weltweit) geschlossen. Deshalb steht heute ein reich befrachteter Sightseeing Tag an: 5 Museen stehen auf dem Programm. Angesichts des Wetters entschliesse ich mich, auf das General Patton Memorials Museum in Ettelbrück zu verzichten. Ich habe gestern im Museum bereits über diesen US-General gelesen und Fotos gesehen. "George Smith Patton jr. war ein General der US Army im Zweiten Weltkrieg. Dieser hatte das Kommando über die 3. US-Armee nach der Landung in der Normandie. Vom 9. Mai bis 9. Oktober 1945 war er US-Militärgouverneur von Bayern." Er war ein Held und ein Haudegen. So trug er an seinen Hüften zwei Revolver, nicht Armee-Konform, aber man liess ihn gewähren.
Von Diekirch fahre ich über Ettelbrück und nach gut einer Stunde, kurz vor Bastogne, überquere ich die Grenze.
Belgien
"Das Königreich Belgien ist ein föderaler Staat in Westeuropa. Es liegt zwischen der Nordsee und den Ardennen und grenzt an die Niederlande, Deutschland, Luxemburg und Frankreich. Belgien zählt rund 11,4 Millionen Einwohner (2018) auf einer Fläche von 30'688 Quadratkilometern. Mit 376 Einwohnern pro km² zählt Belgien zu den am dichtesten besiedelten Staaten. Der Grad der Urbanisierung Belgiens ist mit fast 98 Prozent der höchste in Europa. Die Stadt Brüssel ist die Hauptstadt und Sitz der belgischen Königsfamilie sowie Zentrum der grössten Agglomeration. Die bevölkerungsreichste Stadt ist Antwerpen; weitere bedeutende große Städte sind Gent, Charleroi, Lüttich (Liège), Brügge (Brugge) und Namur. Seit der Unabhängigkeit 1830 und Verfassungsgebung 1831 ist Belgien eine parlamentarische Erbmonarchie. Der Norden des Landes mit den Flamen ist niederländisches, der Süden mit den Wallonen französisches Sprachgebiet. Die Region Brüssel-Hauptstadt ist offiziell zweisprachig, jedoch mehrheitlich frankophon bewohnt. Im deutschsprachigen Gebiet in Ostbelgien sind Standarddeutsch und westmitteldeutsche Mundarten verbreitet."
Ich bin überrascht, wie schon gestern in Luxemburg, wie kurvig und hügelig es in Belgien ist.
Kurz vor elf Uhr komme ich beim Bastogne War Museum an. Ich bezahle den Eintritt "Visite individuelle Senior (à partir de 65 ans)" von 13 € und deponiere mein übliches "bagages".
"Diese einzigartige Gedenkstätte ist dem Zweiten Weltkrieg gewidmet und behandelt vor allem die besondere Geschichte der Ardennenschlacht. Drei multisensorische Inszenierungen lassen den Besucher in eine realistische Erfahrung eintauchen und den Werdegang von vier Personen inmitten des Konflikts verfolgen. Neben Dekoren, Erlebnisberichten, Multimedia-Installationen und Filmen appelliert der Rundgang auch an den Verstand und die Emotionen, indem er die Besucher spüren lässt, dass diese Geschichte sie – jeden einzeln – persönlich betrifft."
Diese vier Personen begleiten mich mit ihren persönlichen Geschichten auf dem Rundgang:
Émile Mostade, 13 Jahre, Schüler, Mathilde Devillers, 25 Jahre, Lehrerin an der örtlichen Grundschule in Bastogne,
sowie Hans Wegmüller, 21 Jahre, Leutnant der Wehrmacht und Robert Keane, 20 Jahre, Fallschirmjäger der 101. US-Luftlandedivision
Die Ardennenoffensive 1944:
"Bis Mitte Dezember 1944 brachte die Wehrmacht zwischen Monschau und Echternach frische und zum Teil von der Ostfront abgezogene Infanteriedivisionen in Stellung, die über rund 600 Panzer verfügten. Den über 200'000 deutschen Soldaten standen in diesem Frontabschnitt kaum 80'000 amerikanische gegenüber. Der deutsche Angriff am Morgen des 16. Dezember 1944 kam für die Amerikaner vollkommen überraschend. Wie von den Deutschen eingeplant, konnten die Alliierten zudem ihre uneingeschränkte Lufthoheit nicht ausnutzen, da die Flugzeuge aufgrund der Schlechtwetterlage nicht einsatzfähig waren. Im Nordabschnitt der Offensivfront stiess die neu aufgestellte und über zahlreiche moderne "Panther"-Kampfpanzer verfügende 6. SS-Panzerarmee nur vergleichsweise langsam vor. Erst am 21. Dezember gelang ihr die Einnahme von Saint-Vith. Obwohl die deutsche 5. Panzerarmee im Süden schnell in Richtung Maas vorstiess, gelang auch ihr das vorgegebene erste Etappenziel - die Überquerung des Flusses - nicht. Die Verlegung neuer amerikanischer Truppen in die Ardennen und mangelnder deutscher Nachschub ließen die Offensive nach nur wenigen Tagen scheitern. Am 27. Dezember musste die Wehrmacht an allen Frontabschnitten zur Verteidigung übergehen. Bis zum 16. Januar 1945 verloren die Deutschen sämtliche Geländegewinne."
Dank der multisensorischen Inszenierung sind wir Museumsbesucher mittendrin im Geschehen ...
Dieser Museumsbesuch war äusserst emotional. Sehr nachdenklich hole ich meine Sachen und kehre zu meinem Töff zurück.
Der Radsport Frühlingsklassiker Lüttich-Bastogne-Lüttich fährt hier jedes Jahr durch. "Das legendäre Eintagesrennen - „die Älteste“ heisst das Radrennen im Volksmund - wurde 1892 zum ersten Mal durchgeführt und ist damit der älteste Radklassiker. Es findet jährlich Ende April statt. Wegen seines hügeligen Profils durch die wallonischen Ardennen gilt es als einer der schwersten Klassiker des Radsports."
Nach einer guten halben Stunde halte ich in La Roche-en-Ardenne an. Das Musée de la Bataille des Ardennes an der Rue Chamont 5 ist mein Ziel.
Der ältere Herr an der Kasse nimmt wie selbstverständlich meine Utensilien entgegen; hängt sogar meine Regenjacke an einen Kleiderbügel. Merci Monsieur.
Dieses Museum ist nicht so gross, wartet aber mit vielen Originalgegenständen und -fahrzeugen auf. Das Museum von La Roche sei das einzige Museum der Ardennenschlacht (Battle of the Bulge), das eine britische Abteilung präsentiert.
"In our family museum The visitor will discover in close to 1500 m2, spread over three levels more than 120 mannequins of American, English, German and even Scottish soldiers with their equipment and armament, as well as uniforms donated by veterans of the Battle of the Bulge. He will also discover an important collection of light and heavy arms, photographic documents, personal objects and equipment found on the battlefield. Some 20 military vehicles are also exposed."
Wie es scheint, waren Zigaretten wichtig für die Soldaten.
Diese weit verbreitete Darstellung von Uncle Sam entstammt einem Rekrutierungsplakat aus dem Ersten Weltkrieg von James Montgomery Flagg. Es war in meiner Jugendzeit ein begehrtes Plakat.
"Die BMW R 12 war ein Motorrad der Bayerischen Motoren Werke, das 1935 präsentiert wurde und als meistgebautes Vorkriegsmotorrad von BMW gilt. Wegweisend an der R 12 war die erste hydraulisch gedämpften Teleskopgabel im Motorradbau; sie hatte 88 mm Federweg."
Im Hintergrund die Ruinen der Burg von La-Roche-en-Ardenne. "Historie: 11. Jh. wahrscheinliche Bauzeit der Burg. 1684 König Ludwig XIV. lässt die Burg verstärken. 17. Jh. Auf Befehl von Josef II Zerstörung der Burg. 1852 Der belgische Staat erwirbt die Ruinen.
La Roche-en-Ardenne, vor und nach dem Krieg ...
"Ardennenschlacht: Am 16. Dezember 1944 begann die Ardennenoffensive, die letzte grosse Schlacht des Zweiten Weltkriegs. In La Roche-en-Ardenne werden die amerikanischen Soldaten am 17. Dezember 1944 in Bereitschaft versetzt. Doch in nur zwei Tagen wird die Stadt zerstört. Dabei sterben 114 Zivilisten. Von den 639 Häusern der Stadt werden 348 in Schutt und Asche gelegt, und 287 beschädigt."
... und heute.
Die Zeit verinnt ... ich lasse das nächste Museum, das Musée Décembre 1944 in La Gleize, aus und fahre nach Baugnez zum Baugnez 44 Historical Center.
"Dieses Museum ist der Ardennenoffensive und dem Massaker von Baugnez / Malmedy gewidmet. Es erstreckt sich über fast 1'000 m2 auf 2 Ebenen und präsentiert eine neue Museographie (museale Inszenierungskunst) sowie eine Szenografie von atemberaubendem Realismus. Authentische Ausrüstung, Fahrzeuge, Fotos und historische Filme voller Geschichte und Emotionen lassen Sie in das Herz der Ardennenoffensive eintauchen. Nicht weniger als 15 rekonstruierte Szenen aus dem täglichen Leben der Soldaten während der Ardennenoffensive werden Ihnen präsentiert, darunter zwei in Belgien einzigartige, die mit einem Ton- und Lichtsystem ausgestattet sind, und Sie in den Winter 1944 der Ardennenoffensive projizieren wird. Während der gesamten Tour werden Sie von einem mehrsprachigen Audioguide begleitet, der Ihnen detaillierte Kommentare zur Ardennenoffensive sowie zur Geschichte und Anekdoten von Exponaten gibt."
Als ich beim Bezahlen der 8.50 Euro nach einem Ort für mein Sachen frage, führt mich die nette Kassierin zu einem Personallift, der nur von ihr benützt würde, wie sie mir erklärt. Die Liftkabine wird zu meinem Depot. C'est très gentil madame.
"Das MG 42 (eigentlich: Universal-Maschinengewehr Modell 42) ist ein Maschinengewehr im Kaliber 7,92 × 57 mm, das von der deutschen Wehrmacht im Zweiten Weltkrieg eingesetzt wurde. Die Waffe wurde 1942 eingeführt, nachdem das Heereswaffenamt einen Nachfolger für das MG 34 suchte, dessen Produktion aufwendig und kostenintensiv war. Die für eine Massenfertigung im Blechprägeverfahren ausgelegte Neuentwicklung MG 42 wurde so konstruiert, dass sie problemlos von den mit der Vorgängerwaffe vertrauten Mannschaften eingesetzt werden konnte."
"Das Malmedy-Massaker war ein Kriegsverbrechen, das am 17. Dezember 1944 im Zuge der Ardennenoffensive im Zweiten Weltkrieg verübt wurde. Es wurden mindestens 82 kriegsgefangene US-amerikanische Soldaten von Angehörigen der Waffen-SS erschossen. Der Ort des Geschehens lag bei Malmedy."
"Am 17. Dezember 1944, dem zweiten Tag der Ardennen-Offensive, traf die schnell vorgehende Panzertruppe Peipers. etwa vier Kilometer südöstlich von Malmedy an der Straßenkreuzung von Baugnez, auf einen LKW-Konvoi der Battery B des 285th Field Artillery Observation Battalion der United States Army. Sofort nach seiner Entdeckung wurde der Konvoi beschossen und überwältigt. Die Angriffsspitze der Kampfgruppe Peiper – darunter auch Joachim Peiper selbst – kümmerte sich nicht um die gefangenen Amerikaner und fuhr weiter. Angehörige der nachfolgenden SS-Einheiten stellten die etwas über 100 Gefangenen auf einer Wiese nahe der Straßenkreuzung auf. Der genaue Ablauf des nun folgenden Massakers oder eine eventuell vorhandene Befehlskette der nachfolgenden Ereignisse konnte bisher nicht geklärt werden. Möglicherweise versuchten die unbewachten gefangenen amerikanischen Soldaten gemeinsam in einen etwa 60 m entfernten Waldrand zu fliehen. Sicher ist jedoch, dass die SS-Männer gegen Mittag des 17. Dezembers mit Maschinenpistolen und den Bordwaffen ihrer Fahrzeuge mehrfach nacheinander das Feuer auf mehrere Gruppen gefangener Amerikaner, unter denen sich auch Verwundete befanden, eröffneten. Anschliessend töteten einzelne SS-Männer die Überlebenden durch Schüsse aus nächster Nähe, was später ein Beweis dafür war, dass es sich um ein Verbrechen und kein normales Gefecht gehandelt hatte. Insgesamt starben mindestens 82 Amerikaner. Sie wurden erst im Januar 1945 von ihren Kameraden gefunden."
Damit sind meine Besichtigungen für heute beendet. Statt der angedachten 5 Museen habe ich deren 3 besucht. Die erlebten Emotionen und die Eindrücke müssen nun verdaut, verarbeitet werden. Die Fahrt zu meinem Hotel in Malmedy dauert nur ein paar Minuten. Beim Einchecken kann ich gleich noch eine Massage buchen, muss mich aber beeilen, in einer halben Stunden ist es bereits so weit ...
Guten Morgen schöner Morgen. Vor dem Morgenessen um halb acht Uhr mache ich ein paar Schritte.
Für das Frühstück, das anschliessende Um- und Anziehen sowie das Gepäck-aufs-Motorrad bringen, benötige ich rund 1 1/2 Stunden. Das ist nicht nur heute so, sondern jeden Morgen.
Mir gefallen die belgischen Häuser, mit ihren bunten Steinfassaden, sehr.
Nach gut einer Stunde Fahrt bei tiefen Temperaturen, gleich nach dem Durchfahren des kleines Ortes Henri-Chapelle Welkenraedt, erreiche ich mein erstes Tagesziel. Der Henri-Chapelle American Cemetery ist mein erster Militärfriedhof den ich besuche. Entsprechend bin ich gespannt, was mich erwartet.
Als erstes staune ich über die Ausmasse des Areals; 57 Hektaren, also 570'000 Quadratmer, seien es. Auf der linken Seite der Strasse zeigt das Sternenbanner, dass es sich hier um eine US-amerikansiche Einrichtung handelt.
Nun wende ich mich dem Eingang rechts zum eigentlichen Friedhofsgelände zu.
"Silence & Respect" steht auf Tafeln bei der Eingangsarchitektur. Angesichts dessen, was man danach erblickt, eine Selbstverständlichkeit.
"Auf dem Henri-Chapelle American Cemetery and Memorial in Belgien, das sich über 57 Hektar erstreckt, ruhen 7'987 unserer militärischen Toten, von denen die meisten während des Vormarsches der US-Streitkräfte nach Deutschland ihr Leben verloren haben. Ihre Grabsteine sind in sanften Bögen angeordnet, die sich über einen breiten grünen Rasen erstrecken, der sanft bergab abfällt."
Video der American Battle Monuments Commission.
Bei der Kapelle sind die Namen der gefallenen Soldaten eingraviert, die vermisst werden.
Auf der Weiterfahrt komme ich, nach vielen kleinen Bauern-Dörfer, wieder mal in eine grössere Stadt: Liège (Lüttich), die zweitgrösste Stadt in der Wallonischen Region Belgiens, nach Charleroi.
Kurz nach 13 Uhr kippe ich die Kawa auf den Seitenständer. Es sei in Ordnung, sie so vor dem Eingang stehen zu lassen, versichert mir die Angestellte an der Rezeption.
Nachdem ich mich frisch gemacht und den Helm am Strom angeschlossen habe, der braucht wegen dem Kommunikationssystem nun auch Energie, wie das PocketBook und das iPhone, mache ich mich auf, die Stadt Dinant zu entdecken.
Mein Hotel liegt direkt an der Maas, so kann ich dem Flussufer entlang Richtung Altstadt gehen.
Auf der Maas werden Flussfahrten angeboten.
"Die Maas ist ein etwa 874 Kilometer langer Fluss, der Frankreich, Belgien und die Niederlande durchfliesst. Die Maas mündet heute in den südlichen Hauptstrom des Rhein-Maas-Deltas, das Hollands Diep, und gehört damit zum Flusssystem des Rheins. Die Maas ist der weitaus längste Nebenfluss des Rheins und der zweitwasserreichste nach der Aare."
Da oben, wo die Fahne weht, will ich hin.
Aber zuerst besuche ich die Kirche, die Notre Dame de Dinant.
Danach schaue ich, wo ich zur Zitadelle hochkomme, angeblich über 408 Treppenstufen ...
Es geht auch bequemer; im Eintritt ist die Fahrt mit der "Kabelbaan" enthalten.
Ein sehr interessanter Rundgang durch die Zitadelle von Dinant beginnt.
Unter "Spotlight on 1914" wird das Massaker von Dinant thematisiert, dazu später.
"Die Zitadelle von Dinant ist eine auf einem hohen Felsen an der Maas angelegte Burg, die unter dem Fürstbischof von Lüttich, Théoduin entstand. Zu Beginn des 19. Jahrhunderts wurde sie als Festung für Verteidigungs- und Schutzaufgaben umfangreich ausgebaut. Ihre Einzelanlagen sind zum Ende des 20. Jahrhunderts rekonstruiert worden und dienen als Museum."
Das Kastell von Dinant im 15. Jahrhundert und heutige Ansicht des Bauwerks.
Schön ist auch die Aussicht auf Dinant.
Einblicke in das Leben der Garnison 1820: Küche, Bäckerei und Schlafräume.
"Anstelle der Festung stand eine in den Jahren 1041 bis 1050 errichtete Burg, die im 15. Jahrhundert von Bourgognischen Truppen weitestgehend zerstört wurde. Im Jahr 1523 begannen die Einwohner von Dinant auf Veranlassung des Lütticher Bischofs den Wiederaufbau. Ende des 17. Jahrhunderts plünderten französische Einheiten vor ihrem Abzug aus der Stadt wiederum die Anlage. Stadt und Umgebung fielen auf Grund des Wiener Kongresses nach Napoleons Niederlage 1815 an die Niederlande. In der Folge wurde der Platz für eine Verteidigungsanlage bestimmt. Die Holländer errichteten 1818 bis 1821 feste dicke Mauern zur Flussseite und zur Landseite hin. Im Inneren entstand ein Höhlensystem mit einzelnen Räumen, in denen die Besatzer wohnten und arbeiteten. Ausserdem wurden ein Graben ausgehoben und eine Zugbrücke eingebaut. Im Jahr 1830 gelangte die komplette Anlage kampflos an belgische Partisanen. Mit der Gründung des belgischen Staates fiel Dinant mit seiner Festung in dessen Hoheitsgebiet. Die Verwaltung entmilitarisierte 1868 offiziell die Zitadelle und versteigerte sie öffentlich. Die Festungsräume dienten anschliessend zur Lagerung archäologischer Artefakte aus der Geschichte der Stadt und der Umgebung."
Auf meinem Rundgang komme ich zu Stopp Nummer 10 und lese diese Warnung.
Was soll das? Ich bin doch kein Beckenrandschwimmer. Also Handy auf Video und rein ins Unbekannte. Zuerst gehts durch einen engen Schützengraben aus dem Ersten Weltkrieg. Geräusche von Schüssen aus Lautsprechern. Puppen in Militärkleidung in dunklen Ecken. Maschinengewehrsalven. Nichts für schwache Nerven. Aber dann ändert sich der Untergrund, eine Treppe führt hinab in einen Bunker ...
Ich komme ins Straucheln. Es zieht mich zur rechten Wand. Ich höre auf zu filmen, will nicht stürzen. Was ist los mit mir? Doch ein Weichei?
Die Erklärung: "Bei den Angriffskämpfen der deutschen Wehrmacht gegen Frankreich im Zweiten Weltkrieg erreichte die 7. Panzer-Division von Erwin Rommel 1940 das rechte östliche Ufer der Maas im Ort Dinant. Die Verteidiger hatten die grosse Brücke in Höhe der Kirche Notre Dame zuvor, am 12. Mai 1940 gesprengt, um den Flussübergang zu vereiteln. Auf der Festung hatten sich französische Einheiten verschanzt und auch an verschiedenen Stellen schwere Geschütze positioniert, mit denen nach Ankunft der deutschen Truppen geschossen wurde. Sie räumten die Anlage dann jedoch. Bei den Rückzugsbewegungen der deutschen Angreifer, im Jahr 1944, bombardierten englische und amerikanische Flugzeuge die Festung und die Stadt, ein Teil der Wohnhäuser brannte nieder. Ein Bombentreffer nahe einem zuvor von der Yser in die Festung verlegten Bunker führte dazu, dass dieser am Hang einseitig abrutschte und in eine ziemliche Schieflage geriet, eine komplette Neigung von mehr als 20 Grad war die Folge."
Der Bunker wurde in der Nachkriegszeit saniert, aber nicht wieder erhöht. Aus diesem Grund ist die Treppe, die hinabführt, in Schieflage geblieben. Nicht nur die Treppe, der komplette Boden des Bunkers. Nur die senkrecht hängenden Lampen geben eine Orientierungshilfe. Jeder Museumsbesucher kämpft gegen die Schieflage, die eine Durchquerung zu einem beeindruckenden Erlebnis macht. Glaubt mir, da sind die "schiefen Häuser", die ich schon besichtigt habe, nichts dagegen. Es ist extrem schwierig, in diesem Bunker das Gleichgewicht zu behalten.
Nach dem ich wieder an die Oberfläche bin, gehe ich nochmals zum Eingang zurück. Diesmal will ich es ohne Filmen machen. Es wird nicht besser, auch wenn der Überraschungsmoment weg ist.
Ich verlasse die beeindruckende, geschichtsträchtige Befestigunganlage und fahre mit der Seilbahn nach unten.
Ein Denkmal erinnert an das Schicksal der Getöteten von Dinant.
Das Massaker von Dinant.
"Am 23. August 1914 verübten deutsche Truppen in Belgien das Massaker von Dinant und töteten dabei 674 Zivilisten. Zugleich wurden rund 1'100 bis 1'300 der 1'800 Häuser der Stadt zerstört. Das Vorgehen der deutschen Truppen zu Beginn des Ersten Weltkriegs erfolgte im Zuge ihres Marsches durch das zuvor neutrale Nachbarland. Von August bis Oktober 1914 kamen in Belgien 5'521 Zivilisten durch Hinrichtungen und zielgerichtete Zerstörungen von Ortschaften ums Leben, das Massaker von Dinant war der grösste dieser Gewaltausbrüche deutscher Soldaten gegen Zivilisten. Die deutschen Offiziere und Soldaten rechtfertigten ihre Taten mit vermeintlichen Partisanenaktivitäten, Angriffen von Zivilisten beziehungsweise Freischärlern (Franctireurs). Die Belgier bestritten derartige Angriffe vehement."
Dinant hat aber nicht nur schreckliche Erinnerungen, wurde doch der Erfinder des Saxophons hier geboren: Adolphe Sax, eigentlich Antoine Joseph Sax, (* 6. November 1814 in Dinant; † 7. Februar 1894 in Paris) war ein belgischer Erfinder, Instrumentenbauer und Musiker; er war der Entwickler der Saxhörner und des Saxophons.
Impressionen auf dem Weg zurück ins Hotel.
Aha, wenn das so ist ...
Gegen halb neun Uhr starte ich den Motor, im Navi die Fortsetzung der Route und fahre los. Anna meldet sich immer noch nicht; seit gestern ist sie plötzlich verschwunden. Auch wenn ihre Stimme blechern klingt, vermisse ich sie trotzdem. Ist sie beleidigt? Gestern habe ich nämlich versucht, ihre Rivalin Deutsch-Marie einzustellen, die aber nicht auf Anna's Niveau ist, denn Anna beherrscht "Garmin Real Dircetions". "Garmin Real Directions unterstützt eine verbesserte Sprachansage für Abbiegungen. Hierbei erhalten Sie leicht verständliche Fahranweisungen, als würde ein Beifahrer Ansagen geben und gut erkennbare Orientierungspunkte wie zum Beispiel Ampeln, Brücken, Tankstellen und Gebäude verwenden."
Mein erster Halt nach 1 1/2 Stunden führt mich in der Geschichte zurück.
Falsches Bild, falsche Zeit. Ich tauche viel weiter ein, ins Jahr 1815 und ...
besuche das Musée du Mémorial de la Bataille de Waterloo 1815.
"Die Schlacht bei Waterloo vom 18. Juni 1815 war die letzte Schlacht Napoleon Bonapartes. Sie fand rund 15 km südlich von Brüssel in der Nähe des Dorfes Waterloo statt, das damals zum Königreich der Vereinigten Niederlande gehörte und heute in Belgien liegt. Die Niederlage der von Napoleon geführten Franzosen gegen die alliierten Truppen unter dem englischen General Wellington und dem preussischen Feldmarschall Blücher beendete Napoleons Herrschaft der Hundert Tage und führte mit dessen endgültiger Abdankung am 22. Juni 1815 zum Ende des Französischen Kaiserreichs. Nach dieser zweiten völligen militärischen Niederlage innerhalb kurzer Zeit wurden Frankreich im Zweiten Pariser Frieden verschärfte Friedensbedingungen auferlegt. Napoleon selbst wurde als Kriegsgefangener der Briten auf die Atlantikinsel St. Helena gebracht, wo er als Verbannter am 5. Mai 1821 starb."
"Napoleon Bonaparte, Kaiser Napoleon I. (* 15. August 1769 in Ajaccio auf Korsika; † 5. Mai 1821 in Longwood House auf St. Helena im Südatlantik), war ein französischer General, revolutionärer Diktator und Kaiser der Franzosen.Aus korsischer Familie stammend, stieg Bonaparte während der Französischen Revolution in der Armee auf. Er erwies sich als ein militärisches Talent ersten Ranges. Vor allem die Feldzüge in Italien und in Ägypten machten ihn populär. Der katastrophale Ausgang des Feldzugs gegen Russland ab 1812 führte zur Erschütterung seiner Herrschaft über grosse Teile Europas und letztlich zum Sturz Napoleons. Nach einer kurzen Phase der Verbannung auf Elba kehrte er 1815 für hundert Tage an die Macht zurück. In der Schlacht bei Waterloo wurde er endgültig besiegt und bis zu seinem Lebensende auf die Insel St. Helena verbannt."
Nachdem ich mein Gepäck in einem Schliessfach deponiert und einen Audio-Führer ausgehändigt erhalten habe, beginne ich meinen Rundgang im unterirdischen Museum.
Nun rüste ich mich noch mit einer 3D-Brille aus und erlebe in einem 4D-Film die Schlacht um Waterloo.
Den Aufstieg über die 226 Stufen zum Löwenhügel hinauf erspare ich mir.
"Der berühmte Löwenhügel ist ein 40 Meter hohes Denkmal, das 1826 auf Wunsch von WilhelmI., König der Niederlande, errichtet wurde, der den mutmasslichen Ort markieren wollte, an dem sein ältester Sohn, der Prinz von Oranien, am 18. Juni 1815 verwundet wurde. Es wird von einem kolossalen Löwen überragt, der den Sieg der Monarchien symbolisiert. Oben umfasst der Blick das gesamte Schlachtfeld von Waterloo 1815."
Es sind nur 22 Km bis zu meinem nächsten Ziel, das in Brüssel liegt. Es ist kurz nach Mittag als ich in Belgiens Hauptstadt eintreffe. Viel Verkehr und es regnet. Keine Anna die mich führt. Blick auf die Strasse. Blick auf den Verkehr. Blick aufs Navi; Anna, wo bist du?
Je schmaler die Strassen werden, je mehr Leute (Touristen) hat es. Das Navi meldet, ich sei am Ziel (vorbei gefahren). Ich suche nach einer Parkmöglichkeit und laufe zurück.
Wie, was, so klein ist der Manneken Pis?
"Der Manneken Pis (niederländisch für „pissendes Männlein“) ist eine Brunnenfigur eines urinierenden Knaben. Sie ist eines der Wahrzeichen der belgischen Hauptstadt Brüssel. Die 61 Zentimeter hohe Bronzestatue wurde 1619 von dem Bildhauer Jérôme Duquesnoy geschaffen."
Nicht besucht habe ich das Pendant zum Manneken: Jeanneke Pis. "Der 50 cm grosse Brunnen stellt ein splitternacktes kleines Mädchen, das sich ebenso ungeniert wie ihr männlicher Kollege vor aller Augen mit stetem Strahl erleichtert. Es war der Bildhauers Denis-Adrien Debouvrie, der sie 1985 zum Leben erweckte. Der Legende nach ging es ihm darum, die Gleichberechtigung wiederherzustellen.
Ich habe bewusst nur zwei Besichtigungen in Brüssel geplant, obschon es viel mehr Sehenswürdigkeiten zu sehen gäbe. Bis zur zweiten, dem Atomium, sind es nur 8 Km. Leider regnet es immer noch.
"Das Atomium ist ein für die Expo 1958 errichtetes 102 m hohes Bauwerk. Es ist ein auf einer Ecke stehendes Modell der aus neun Atomen bestehenden kubisch raumzentrierten (innenzentrierten) Elementarzelle der Kristalle. In dieser regelmässigen Würfelform kristallisiert u. a. Eisen. Die Atome sind als Hohlkugeln ausgeführt, und das Gitter, das sie zur gedachten Elementarzelle vereinigt, besteht aus Rohren. Zwei in der Raumdiagonale gegenüberliegende Atome und das zentrale Atom bilden zusammen mit zwei Gitterstäben einen Aussichtsturm, um den herum die anderen sechs Atome und die übrigen Gitterstäbe angeordnet sind. Das Atomium wurde als Symbol für das Atomzeitalter und die friedliche Nutzung der Kernenergie vom Ingenieur André Waterkeyn entworfen und von den Architekten André und Jean Polak ausgearbeitet und errichtet. Die Konstruktion ist etwa 2'400 Tonnen schwer. Der Durchmesser der Kugeln beträgt 18 Meter, jener der sie verbindenden Rohre 3,3 Meter. Ausser den drei Turm-Kugeln sind die drei unteren Eck-Kugeln öffentlich zugänglich und werden ebenfalls auf mehreren Etagen für Ausstellungen u. a. genutzt. Im Turm befindet sich ein Aufzug, der die Besucher in 23 Sekunden zum Restaurant in der obersten Kugel bringt. Durch die schrägen Verbindungsrohre führen Treppen (teilweise Rolltreppen) zu den anderen Kugeln."
Soll ich oder soll ich nicht? Nein, ich fahre ohne Besichtigung weiter.
Das nächste geplante Ziel, der Grote Markt, ein zentraler Platz in der historischen Altstadt von Antwerpen, wäre bei schönem Wetter attraktiv. Ich lösche diesen Wegpunkt in der Route und spare damit rund 50 Km oder 1 1/4 h Fahr- zuzüglich die Besichtigungszeit. Gut bei diesem Hudelwetter. Umsomehr, als das Wetter in Gent, meinem Tagesziel, besser ist.
Ist es nicht schön? Das Wetter, aber auch die Fassade meines Hotels. Als ich den Mann an der Rezeption nach einem Parkplatz frage, stellt er mir seinen in einem nahen Parkhaus zur Verfügung und bringt sein Auto weg. Er verlangt zwar etwas dafür, gibt mir aber auch ein grösseres Zimmer. Ich beeile mich mit dem Umziehen und nasse-Kleider-Aufhängen, denn ich will noch etwas sehen von der schönen Altstadt von Gent.
"Gent ist nach Antwerpen die zweitgrösste Stadt Belgiens. Gent entstand aus keltischen Ansiedlungen im Gebiet des Zusammenflusses von Schelde und Leie. Im Mittelalter wuchs Gent durch den blühenden Tuchhandel zu einer der grössten und bedeutendsten Städte Europas heran. Auch das Flachs- und Leinengewerbe und das von der Stadt erworbene Stapelrecht auf Getreide trugen ansehnlich zur Wohlfahrt der Stadt bei."
Ich muss nur ein paar Schritte gehen und schon bin ich am Korenlei, dem Kai an der Leie. Seit dem 11. Jahrhundert legen hier Schiffe an. Der Kai gegenüber heisst Graslei.
Graslei mit seinen wunderschönen Gibelhäuser.
Es ist sehr schön, in diesem mittelalterlichen Stadtkern mit seinen Kopfsteinpflaser, engen Gassen, Gildehäusern und Gaststätten. Dem mittelalterliche Charme bin ich schnell erlegen. Aber es wird noch besser ...
Wow! Mein Ritterherz beginnt schneller zu schlagen, Kindheitserinnerungen an Sandkasten-Burgen bauen kommen hoch.
Schnell ist der Eingang gefunden.
An der Kasse löse ich das Ticket, hole mir einen Audio-Guide. "Lieben Sie ein wenig Humor beim Besuch der Grafenburg? Die Audioführung führt Sie auf Entdeckungsreise in und um die Burg herum. Es werden Geschichten erzählt, gespickt mit komischen Anekdoten und mit mitreissenden Ritterkämpfen im Hintergrund. Vielleicht hören Sie sogar Geschichten, die die Genter noch nie gehört haben." Die Besichtigung von Burg Grafenstein beginnt. Die Audio-Führung ist sehr humorvoll, zeitintensiv zwar, weil der Mann viele mögliche und unmögliche Geschichten erzählt, aber kurzweilig und unterhaltend.
"Die Burg Gravensteen (deutsch „Grafenstein“) ist die Burg der Grafen von Flandern. Sie ist eine der grössten Wasserburgen Europas und geht auf erste Befestigungen im 9. Jahrhundert zurück. Die Burg steht am Zusammentreffen der Flüsse Lieve und Leie auf einer hohen Sanddüne. Am linken Leieufer dominiert sie das Zentrum der Stadt. Die erste Anlage auf dem Platz der heutigen Anlage war wohl eine von den Wikingern errichtete Burg aus Holz. Schon um 1000 entstand an dieser Stelle ein steinerner Saalbau. Eine erste Ringmauer komplettierte die Burg. Im Jahr 1128 kam es zur ersten ernsthaften Belagerung durch Anhänger des Dietrich von Elsass, wobei das Bauwerk zerstört wurde. Auf ihren Resten ließ Philipp von Elsass, der damalige Graf von Flandern, von 1180 bis 1200 den Gravensteen erbauen. Er vergrösserte die Burganlage, um die Genter besser kontrollieren zu können. Ein Ringgraben umgab nun die Burganlage, der Aushub wurde um den alten Saalbau aufgeschüttet, so dass eine Motte entstand. Zwischen dem 13. und dem 14. Jahrhundert wurde die Burg restauriert. Der ovale Burghof erhielt eine Ringmauer mit 24 vorspringenden, zweistöckigen Türmchen. Ab dem 12. Jahrhundert wuchs Gent so enorm, dass die Stadt nun die Burg umschließt. 1301 belagerten die Genter die Burg und konnten sie durch den Einsatz von Feuer zur Kapitulation zwingen. 1368 schlugen die Angreifer eine Bresche in die Mauer. Die Instandsetzungsarbeiten aus dem ausgehenden 14. Jahrhundert sind am Torhaus und der Mauer erkennbar. Von 1407 bis 1708 diente die Burg als Gerichtssitz, ein Kerker und ein Folterkammer wurden eingerichtet. Auch der Rat der Stadt Gent tagte hier. 1780 erwarb ein Kaufmann die Burganlage und wandelte sie zu einer Textilfabrik um. Die Nebengebäude dienten als Arbeiterwohnungen, das Torhaus als Wohnung des Fabrikdirektors. Nach der Französischen Revolution wurde der Gravensteen an eine Baumwollspinnerei verkauft. Ende des 19. Jahrhunderts sollte die Burg abgerissen werden, was die Stadt Gent verhinderte: sie kaufte 1887 den Gebäudekomplex zurück und ließ sie anschließend, zwischen 1889 und 1908, notdürftig konservieren. Die 800-Jahr-Feier der Stadt Gent, die festlich begangen wurde, führte zu einer vollständigen Restaurierung des Gravensteen."
Der Aufstieg über eine schmale Treppe wird mit einer schönen Aussicht belohnt.
Nach rund einer Stunde trete ich wieder in die Altstadt hinaus. Meine auf's Mittelalter eingestimmten Sinne ändern auf ganz normale Bedürfnisse ...
Bierhuis zum Beispiel.
"Obwohl die Bierproduktion in Belgien heute von ABInBev, der größten Brauereigruppe der Welt, und Heineken bestimmt wird, gibt es etwa 280 weitere Brauereien im Land, die ungefähr 500 eigenständige Biere herstellen. Zusammen mit speziellen Bierarten und Handwerksbraukunst gibt es mehr als 1000 belgische Biervarianten."
Ich will auch.
Die beiden Frauen im Hintergrund verführen mich; ich bestelle das Gleiche.
Nach diesem Apéro verzichte ich beim Abendessen auf eine Vorspeise.
Abends verwandelt sich die Stadt in eine zauberhafte Abendlandschaft. Das natürlichde Licht weicht der künstlichen Lichtkunst. Die Gebäude werden in den Abenddämmerung kunstvoll in eine bezaubernde Atmosphäre gehüllt, als würde sich die ganze Stadt fürs Theater zurechtmachen.
Vor dem Einschlafen werfe ich noch einen Blick auf mein GesundheitsApp: Nicht schlecht die Tagesleistung für einen Motorradfahrer, oder?
Der Blick im Zimmer aus dem Fenster macht keine Freude, das Frühstückszimmer und das Frühstück um so mehr.
Es regnet wieder. Gemäss dem Routenplan wäre ich heute 10 Stunden unterwegs. Ich bin überhaupt nicht motiviert und will die Route kürzen.
So streiche ich Brügge: "Die Rozenhoedkaai gilt als der am meisten fotografierte Ort Brügges. Und das aus gutem Grund. Man hat hier einen tollen Blick wie auf einer Postkarte und kann das Treiben auf dem Wasser, der Brücke und den Gassen wunderbar verfolgen." Nichts für schlechtes Wetter.
Schweren Herzens verzichte ich auch auf die Besichtigungen bei Ostende: "Der Atlantikwall in Raversyde zählt zu den besterhaltenen Relikten der deutschen Verteidigungslinie. Die Batterie Aachen ist die einzige deutsche Küstenbatterie aus dem Ersten Weltkrieg, die noch so gut erhalten ist, dass sie ein anschauliches und vollständiges Bild von der Küstenverteidigung in den Jahren 1914-18 vermittelt. Die Batterie Saltzwedel-neu gehörte im Zweiten Weltkrieg zur Marineartillerieabteilung 204, die mehrere Batterien an der belgischen Küste aufgestellt hatte." Im Regen am Strand herumlaufen?
Zudem nehme ich bei den Vermeidungen "Autobahn" weg. Ich will einfach so schnell als möglich vorwärts kommen.
Nach 2 1/2 Stunden Fahrt im Regen gibts eine Pause. Tanken und Toilette aufsuchen.
Wenn schon Handschuhe ausziehen und Portemonnaie hervornehmen, kann ich noch für anderes Geld ausgeben.
Zudem wärmt der Becher meine Hände. Das tut gut, denn drei weitere Fahrstunden liegen vor mir. Irgendwann überquere ich die Grenze Belgien-Frankreich. Niemand hat mich angehalten, niemand hat nach der "Attestation de déplacement et de voyage" gefragt. Kurze Zeit später, es ist Viertel vor ein Uhr, komme ich in Dunkerque (Dünkirchen) an. Der Regen hat aufgehört, dafür herrscht hier ein starker Wind bei 12 Grad.
Kriegsmuseum und Erinnerungsort in Dünkirchen, das der Schlacht von Dünkirchen und der Operation Dynamo gewidmet ist. Untergebracht ist das Museum in der Bastion 32 der Küstenbefestigung Dünkirchens von 1874.
Ich bin nicht der einzige Motorradfahrer hier: Der deutsche Feldjäger fährt eine BMW R4, der britische Soldat eine Norton 16 H und die Franzosen sitzen in einem Motorradgespann AX II des französischen Herstellers Gnome et Rhône.
"Die Schlacht von Dünkirchen fand im Mai und Juni 1940 im Zuge des Westfeldzugs während des Zweiten Weltkrieges statt. Während des deutschen Westfeldzugs war die nordfranzösische Stadt Dünkirchen der letzte Evakuierungshafen der British Expeditionary Force, die 1939/1940 in Frankreich als Teil der zunächst defensiven Strategie der Westalliierten eingesetzt war. Es gelang den Briten und Franzosen, den Brückenkopf so lange zu verteidigen, bis sie über 330'000 von etwa 370'000 ihrer Soldaten in der Operation Dynamo evakuiert hatten. Die Einnahme der Stadt durch die deutsche Wehrmacht erfolgte am 4. Juni."
"Operation Dynamo war der Codename einer militärischen Evakuierungsaktion der britischen Admiralität im Zweiten Weltkrieg, bei der mit 85 Prozent das Gros des britischen Expeditionskorps (BEF) und Teile der französischen Armee per Schiff nach England transportiert werden konnten. Diese Truppenteile wurden von der Wehrmacht bei der Schlacht um Dünkirchen eingekesselt, wobei ein – bis heute nicht endgültig geklärter – Haltebefehl für die rasch vorstossenden deutschen Panzertruppen ein Zeitfenster für die Alliierten öffnete, in dem vom 26. Mai bis zum 4. Juni 1940 338'226 Soldaten, davon 198'229 Briten und 139'997 Franzosen, unter Zurücklassung fast des gesamten Materials evakuiert werden konnten. Diese bis dahin größte Rettungsaktion der Weltgeschichte bildete die Grundlage für das Durchhaltevermögen Grossbritanniens, denn der Verlust fast der gesamten britischen Berufsarmee hätte zu dieser Zeit nicht kompensiert werden können."
"Der französische Zerstörer Bourrasque sinkt, nachdem er eine Mine getroffen hat, während er versucht, britische und französische Soldaten während der Operation Dynamo zu evakuieren. 30. Mai 1940."
Nun verlasse ich die südliche Nordseeküste, resp. Kanalküste schon wieder, obschon ich sie gar nicht zu Gesicht bekommen habe, und fahre landeinwärts. Nach 3 Stunden erreiche ich auf der Nationalstrasse D919 Richtung Mailly-Maillet, den Militärfriedhof Serre Road Cemetery No. 2 der Commonwealth War Graves Commission.
Hier ruhen 7'137 gefallene Commonwealth Soldaten des Ersten Weltkrieges. An einem Grab bin ich besonders interessiert, so öffne ich das Friedhofsregister ...
Charles William Baker , Plot III, Row D, Grave No. 3, ist der Grossonkel meines australischen Co-Schwiegervaters Terry.
Private ist ein Dienstgrad: "Für die Ära vor 1945 steht Private für Soldat oder Schütze."
"Charles William Baker, bekannt als "Charlie", Sohn von Walter und Mary Ann Baker. Beruf: Friseur in Warrnambool. Am 19. Juli 1915 meldete er sich zusammen mit seinem älteren Bruder Henry Draper Baker zum Dienst bei der AIF. (Die Australian Imperial Force war eine australische Armee im Ersten und Zweiten Weltkrieg zum Einsatz in Übersee. Nach dem Defence Act von 1903 war es nur Freiwilligen erlaubt, ausserhalb der australischen Hoheitsgebiete zu kämpfen, weshalb die AIF eine Freiwilligenarmee war.)
Da er erst 18 Jahre alt war und beide Eltern bereits verstorben waren, musste Charlie die schriftliche Erlaubnis eines älteren Bruders, George Baker, einholen, um seine Einberufung in das 14. Bataillon zu bestätigen. Die Einheit wurde am 18. Februar 1916 von Melbourne, Victoria, an Bord der HMAT A70 Ballarat eingeschifft. (Das Schiff diente in der Vorkiegszeit um Auswanderer aus Grossbritannien nach Australien zu transportieren, bevor es zu einem Truppentransporter mit australischen Truppen wurde. Nach vier Reisen von Australien aus, wurde es am 26. April 1917 im Ärmelkanal von einem U-Boot UB-32 der deutschen Kaiserlichen Marine torpediert. An Bord waren 1'752 Männer, meist (1'602) neue Verstärkungen aus Australien. Keiner ging verloren, alle wurden innerhalb einer Stunde auf andere Schiffe übertragen. Das Schiff sank jedoch 15 Kilometer südlich von Lizard Point in Cornwall, als gerade versucht wurde, es in seichtes Wasser zu schleppen."
Die Brüder dienten nicht in derselben Einheit. Harry ging zuerst zum Überseedienst. Seine Einheit schiffte sich am 18. November 1915 in Melbourne ein. Harry diente in Ägypten und Frankreich, hatte aber trotz Krankheit und Schock das Glück, im April 1919 nach Australien zurückkehren zu können. Nicht so sein jüngerer Bruder. Nachdem er seinem Land weniger als sechs Monate gedient hatte, wurde der 18 1/2-jährige Charlie Baker zusammen mit drei Kameraden am 8. August 1916 von einem deutschen Offizier in einem Schützengraben an der Westfront getötet.
Ein Augenzeugenbericht des Roten Kreuzes lautet wie folgt:
• In front of Moquet Farm in the trenches early in the morning of the 7th, the Germans counter attacked, and cut five of us off. We could not have got away, we were wounded. One German officer was going to take us back as prisoners. A second officer came up, but seeing that they would have some difficulty to remove us, the second officer shot us, as we were resting in the trenches. Charlie Baker, Horace Carroll, George Booth and Lionel Handley were killed, but the bullet he fired at me hit a testament in my pocket and only just went through it, and did not kill me. J.C.A. Findlow, Harefield Hospital. September 30, 1916.
• I saw the Testament and have no doubt the story is true. D.P. Dickson, London, October 6, 1916.
Es gab weitere Zeugenaussagen, darunter auch einen widersprüchlichen Bericht eines Zeugen.
•
Witness saw soldier's body lying in No Man's Land between Pozieres and Moquet Farm on August 7, 1916. On examination of the body, the witness saw that the soldier had been hit in the head with a bullet and was quite dead. Does not know if soldier was buried. Knew him well, being in the same company. Wynne, Werget Camp, March 29, 1917.
• I was wounded in the same action. His name was Charlie. We came from Warrnambool together. R. Fisher, Dartford, March 21, 1917.
•
Witness saw soldier wounded in our own front line trenches at Pozieres, on the 8th August 1916, around 9:30 P.M. A shell exploded, wounding soldier badly in the back, and he was carried by stretcher-bearers to a dressing station in the rear. Does not know what happened to him afterwards. Witness knew soldier well, and was in the same company. Burnett, Worgret Camp, Wareham, April 7, 1917.
• Terry's conclusion: I would think that the eyewitness account of what happened would be more reliable than the second version given by the soldier Burnett. The first account is also backed up by the fact that the bodies of the four soldiers who were killed by the German Officer in the trench, Charlie Baker (18), George Booth (21), Lionel Handley (19) and Horace Carroll (23), were all exhumed together from the same unmarked grave in 1927, and reburied in separate plots, but next to each other, in the Serre Road Cemetery in France."
Als ich so beim Grab von Charlie knie, denke ich das, was mir später Terry über Facebook schrieb: "I think he had no visitors for 100 years, now 2 in 2 years."
Dazwischen gibt es viele Grabsteine von nicht identifizierbaren Soldaten.
Nun muss ich nur noch 12 Kilometer auf der D919 weiterfahren und ich bin bei meiner Unterkunft, einem Bauernhof mit B&B an einer Strassenkreuzung der D919 und D174 gelegen. Da es weit und breit nichts anderes gibt, habe ich im voraus ein Abendessen dazugebucht.
Mein Motorrad wird sicher sein; hinter dem abgeschlossenen Tor wacht ein Hofhund.
Mein Gepäck ging nicht von selber über eine schmale Treppe in den zweiten Stock hoch ...
Ah, es gibt sie doch noch; vor dem Abendessen zeigt sich die Sonne wieder.
Madame Béatrice Delcour tischt mir ein währschaftes Abendessen auf.
Äs Chacheli Gaggo, Anke, Gompfi, Brot u Chäs ...
Gestern Abend, bei verschiedenen Versuchen, Anna im Navigationsgerät wieder zum Leben zu erwecken, stiess ich in einem Menü auf "Reset" und habe so die Einstellungen zurückgesetzt. Beim Start heute Morgen sind unter "Routenplanung" allerdings keine Routen mehr vorhanden. So gebe ich den zweiten Besichtigungspunkt manuell ein. Auf den Besuch der "Moquet Farm", wo die "Battle of Mouque Farm" stattfand, verzichte ich.
"Die Mouquet Farm war zwischen dem 8. August und dem 3. September 1916 der Ort von neun separaten Angriffen von drei australischen Divisionen. Der Hof stand in einer dominierenden Position auf einem Bergrücken, der sich nordwestlich von dem zerstörten und viel umkämpften Dorf Pozieres erstreckte. Obwohl die Wirtschaftsgebäude selbst in Schutt und Asche gelegt wurden, blieben starke Steinkeller unter der Erde, die in die deutsche Verteidigung eingearbeitet wurden. Die Angriffe auf Mouquet Farm kosteten die 1., 2. und 4. australische Division über 11’000 Opfer, und es gelang keinem einzigen, sie zu erobern und zu halten. Der britische Vormarsch umging schliesslich die Mouquet Farm. Sie fiel unweigerlich am 27. September 1916."
Es ist trocken heute Morgen, aber kalt. Ich ziehe das Regenkombi an; eine Schicht mehr ist besser, hält den Wind ab. Wegen der Kälte nehme ich auch die Autobahn. Da ist es zwar nicht wärmer, aber ich komme schneller über die rund 320 Kilometer. Auf der Fahrt nach Caen verlasse ich das Département Somme und komme ins Département Calvados.
Energiezufuhr für mein Motorrad.
Das Aufsuchen der Toilette ist immer so eine Sache. Auf dem Oberkörper trage ich 5 Schichten Kleider: Zwei funktionale Kurz- und Langarmshirts, Daunenjacke, Motorrad- und Regenjacke. Unten: Unterhose, lange Unterziehhose, Motorrad- und Regenhose. Bei diesen ineinander gehenden Kleider dauert es, bis "er" bereit ist . Beim Fahren stülpe ich die Kapuze der Regenjacke über den Kopf, bevor ich den Helm aufsetze. Zwei Paar Socken, die Stiefel und zwei Paar Handschuhe vervollständigen die Bekleidung. Die Beweglichkeit und die Handlichkeit sind eingeschränkt.
Bei der Seine-Mündung in den Ärmelkanal fahre ich über eine sehr spezielle Brücke, die Pont de Normandie. "Die Pont de Normandie ist eine Schrägseilbrücke, die mit 856 m die grösste Spannweite in Europa besitzt. Sie überquert die Seinemündung und verbindet Le Havre auf dem rechten Ufer im Norden mit Honfleur auf dem linken Ufer im Süden. Die Brücke wurde in den Jahren 1988 bis 1994 gebaut und am 20. Januar 1995 eingeweiht."
Ich bin von der vor mir liegenden Auffahrt so begeistert, dass ich das Zweiradzeichen für Motorradfahrer interpretiere. Erst beim Durchfahren des sehr schmalen Durchgangs neben der Maut-Barriere realisiere ich, dass das wohl für Fahrräder gedacht ist. Ja nu, ich geniesse die Gratis-Fahrt über die Brücke.
Brückenfotos aus dem Internet.
Um 13 Uhr bin ich in Caen, in der französischen Region Normandie. Mit über über 100 Tausend Einwohnern die grösste Stadt im Département Calvados. Caen liegt am Fluss Orne, 15 Kilometer oberhalb von dessen Mündung in den Ärmelkanal, sowie 50 Kilometer südwestlich von Le Havre. Ich fahre direkt zum Mémorial de Caen.
Der Eintritt kostet 19.80 EUR zuzüglich 4.50 EUR für den Audio Guide. Das Museum hat verschiedene Abteilungen: Die Europäische Geschichte des 20. Jahrhunderts vom Ersten Weltkrieg bis zum Mauerfall. Den Zweiten Weltkrieg mit seiner Vorgeschichte ab dem Friedensvertrag von Versailles über den Holocaust bis zur Kapitulation der Achsenmächte. Die Operation Neptune mit der Landung der Alliierten am 6. Juni 1944 (D-Day) in der Normandie und die folgenden Kämpfe zur Befreiung der Normandie von der deutschen Besatzungen. Die Zeit von 1945 bis zum Ende des Kalten Krieges. Dass das Museum auf dem früheren Befehlsbunker des Kommandanten der deutschen 716. Infanteriedivision errichtet wurde, und dieser auch zugänglich ist, habe ich erst beim Erstellen dieses Berichtes realisiert.
Mein Gepäck darf ich rechts beim Schalter "Accueil / Tickets" deponieren.
Unvorstellbar, diese Opferzahlen vom Ersten Weltkrieg ...
... und doch waren diejenigen vom Zweiten Weltkrieg noch x-mal höher.
D-Day: Dieses Datum wird mich in den kommenden Tag noch mehr beschäftigen und drei der fünf Strände werde ich besuchen ...
Chronologie der Angriffe.
Nach dem Museumsbesuch sind es nur noch 4 Km zu meinem Hotel in Caen.
Die zu Hause erstellten Routenbeschreibungen (mit allen Adressen) habe ich in Papierform bei mir. So kann ich nach dem Abendessen im Hotel die Ziele von morgen im Garmin eingeben.
Das Duschen ist eine kleine Herausforderung, die Öffnung nur zwei Handspannen breit.
Nach knapp einer Stunde Fahrt halte ich in Bayeux beim Musée Mémorial de la Bataille de Normandie. Parken. Handschuhe und Helm ausziehen. Tankrucksack wegnehmen und damit zum Eingang gehen. Wie gewohnt frage ich bei der Kasse nach einem Ort, wo ich mein Gepäck deponieren könne. Nirgends sagt mir der junge Mann. Ich verweise auf den grosszügigen Platz beim Eingang oder hinter der Kasse. "Non, ce n'est pas possible ici" ist seine Antwort. Dass bisher in allen Museen eine Lösung gefunden werden konnte, interessiert ihn nicht. "Ce n'est pa gentil, Monsieur" und ich kehre - not amused - unverrichteter Dinge zum Töff zurück.
Also fahre ich zum nächsten Ziel, der Batterie Allemande Longues-sur-Mer an der Gold Beach.
"Die Batterie Longues-sur-Mer ist die einzige deutsche Küstenbatterie des Atlantikwalles mit noch erhaltenen Kanonen in der gesamten Normandie. Sie befindet sich bei dem Ort Longues-sur-Mer an der französischen Atlantikküste in der Normandie am Ärmelkanal. Vor der Invasion (Operation Overlord) am 6. Juni 1944 wurde die Batterie von den alliierten Luftstreitkräften mehrfach bombardiert, aber es wurden keine grossen Schäden angerichtet. Am Invasionstag wurde die Batterie von dem Schlachtschiff USS Arkansas (US Navy) und den Kreuzern HMS Ajax (Royal Navy) und FFL Georges Leygues (Force Françaises Libres) beschossen. Am 6. Juni wurden von der Batterie insgesamt 170 Schüsse abgegeben, ohne dass ein Schiff der Invasionsflotte von ihr versenkt oder beschädigt wurde. Die gesamte Besatzung der Batterie (184 Mann, die Hälfte von ihnen älter als 40 Jahre) ergab sich am Morgen des 7. Juni kampflos dem 2. Bataillon des britischen Devonshire-Regiments."
Cromwell-Panzer (links) und Universal Carriers der 50. Division (rechts) erreichen die Gold Beach.
Ich mache mich auf den Weg zu den drei Bunkern.
Auf der Weiterfahrt finde ich spontan einen Grund zum Anhalten.
"Russy war bis am 31. Dezember 2015 eine politische Gemeinde im Distrikt Broye des Kantons Freiburg. Am 1. Januar 2016 fusionierte sie mit den Gemeinden Domdidier, Dompierre und Léchelles zur neuen Gemeinde Belmont-Broye."
So macht Motorradfahren Spass ; unterwegs zum Amerikanischen Friedhof am Omaha Beach in Colleville-sur-Mer.
Kein Stress, es ist erst kurz nach 12 Uhr.
"Der Friedhof wurde am 8. Juni 1944 als erster amerikanischer Friedhof auf europäischem Boden errichtet. Das Friedhofsgelände am nördlichen Ende seiner halben Meile Zufahrtsstraße umfasst 172,5 Hektar und enthält die Gräber von 9’386 unserer militärischen Toten, von denen die meisten bei den Landungen am D-Day und den folgenden Operationen ihr Leben verloren haben. Auf den Mauern der Vermissten, in einem halbkreisförmigen Garten an der Ostseite des Denkmals, sind 1’557 Namen eingraviert. Rosetten markieren die Namen derer, die seitdem geborgen und identifiziert wurden."
Das Gelände ist riesengross. Ich laufe diesmal nicht durch die Gräberreihen. Ein Tafel in der Nähe vom Strand informiert über die Landungsstrände.
"Die Landungstruppen erlitten am Omaha Beach die grössten Verluste, da die 448 B-24-Bomber mit 1'285 Tonnen Bomben der 2nd Bombardment Division der 8th Air Force die deutschen Stellungen verfehlten bzw die Verteidigungsanlagen trotz Bombardierung grösstenteils intakt blieben. 117 B-24 Bomber kehrten sogar mit ihrer Ladung wieder zurück nach England, da sie ihre Ziele nicht fanden."
Die Gedenkstätte ist nicht nur gross, sondern auch sehr schön.
Bei der Herfahrt habe ich beim Kreisel zum Friedhof ein Museum gesehen, welches nicht auf meiner Liste steht. Nun fahre ich dorthin zurück und besuche das Overlord Museum. Der Eintritt berträgt 8.60 Euro. Auf dieser Tour habe ich nun schon einige Museen besucht, aber in jedem entdecke ich Neues. Hier werden auch die Aktionen der Widerstandsbewegung thematisiert.
"Die Résistance war der Begriff für den Widerstand gegen den Nationalsozialismus während des Zweiten Weltkriegs sowie gegen die mit der deutschen Besatzungsmacht kollaborierenden inländischen Institutionen und Bevölkerungsgruppen."
Im Museum beeindrucken mich die Rekonstruktionen der zum Teil sehr schweren Fahrzeuge, Panzer und Geschütze.
Der Nachschub-LKW der US-Army schlechthin: "The GMC CCKW 352 2½-ton, Short Weel-base, 6x6, was a highly successful series of off-road capable. Built in large numbers (more than 500'000 trucks) to a standardized design (from 1941 to 1945) for the U.S. Army."
Schwerer Zugkraftwagen 18: "Das Sd Kfz 9 (Sonder-Kraftfahrzeug 9 – Schwerer Zugkraftwagen 18 t) war das schwerste Halbkettenfahrzeug der Wehrmacht. Es wurde als Artilleriezugmaschine für die schwersten deutschen Geschütze sowie auch als Schlepp- und Bergefahrzeug entwickelt und während des Zweiten Weltkriegs bis zuletzt an allen Fronten eingesetzt."
Bildquelle wikimedia.org: Ein Sd Kfz 9 schleppt einen britischen Crusader Panzer 1942.
Ganz speziell: "Der Strabokran 16t war ein transportabler Strassenbockkran, der von den Panzerinstandsetzungseinheiten der Wehrmacht im Zweiten Weltkrieg verwendet wurde. Die Firma J. S. Fries Sohn in Frankfurt am Main entwickelte den Strabokran vor Kriegsbeginn. Halbkettenzugmaschinen (Sd Kfz 8 oder Sd Kfz 9) zogen den Strabokran im Felde. Zum Aufbau des Strabokrans benötigten zehn Soldaten etwa eine Stunde."
Bildquelle wikimedia.org: Strabokran von J. S. Fries Sohn
Aber es gibt auch technisch weniger anspruchsvolle Gefährte, wie der Ersatzfeldwagen 43 (Erfa 43).
"Die Heeresfeldwagen waren eine Teilgruppe, der mit Pferden bespannten Transport- und Versorgungsfahrzeuge der deutschen Heere im ausgehenden 19ten und bis zur Mitte des 20ten Jahrhunderts. Sie erlaubten es der marschierenden Truppe (Infanterie), MGs, Granatwerfer, Infanteriemunition und Handgranaten, Sanitätsmaterial, Werkzeug, Schanzzeug, Pioniermaterial, Gepäck, Verpflegung, Versorgungsgüter und andere Ausrüstungsgegenstände, die nicht unbedingt auf Mann geführt werden mussten oder für den Soldaten beim Kampf hinderlich waren, innerhalb der Einheiten mitzuführen oder Einheiten zu versorgen."
"Der als Kübelwagen bezeichnete VW Typ 82 ist ein auf Basis des KdF-Wagens konstruiertes Kraftfahrzeug der Wehrmacht. Von August 1940 bis April 1945 wurden im Volkswagenwerk bei Fallersleben 50'788 Stück in verschiedenen Ausführungen hergestellt."
Ich staune über die logistischen Kennzahlen vom D-Day, der grössten Landungsoperation, die die Welt je gesehen hatte, und über den Einfallsreichtum:
Die Vergeltungswaffe 1 (V1): "Die Fieseler Fi 103 war der erste militärisch eingesetzte Marschflugkörper. Sie wurde als eine der „Wunderwaffen“ in der NS-Propaganda des Zweiten Weltkriegs auch V1 (Vergeltungswaffe 1) genannt. Die Entwicklung der Gerhard-Fieseler-Werke in Kassel trug den Tarnnamen FZG 76 für Flakzielgerät 76 und war im Frühjahr 1944 einsatzbereit. Von Juni 1944 bis März 1945 wurden ca. 12'000 Fi 103 von der Wehrmacht hauptsächlich gegen Ziele in England (London) und Belgien (Hafen von Antwerpen) eingesetzt. Das im Auftrag des Reichsluftfahrtministeriums ab Mitte 1942 entwickelte „Ferngeschoß in Flugzeugform“ war mit fast einer Tonne Sprengstoff beladen und wurde daher umgangssprachlich auch „Flügelbombe“ genannt."
Im Museum wird auch die Zeit von der der Landung der Alliierten bis zur Befreiung von Paris abgebildet.
Landung am D-Day: Kaum am Strand und schon mitten in Kampfhandlungen; für viele Soldaten war das dann auch bereits das Ende. Tausende starben.
Bevor ich zur nächsten Besichtigung fahre, lasse ich mich vom Navi zu einer Tankstelle in der Nähe führen. Danach fahre ich nach Saint-Laurent-sur-Mer, wo nicht nur das letzte Museum2) des heutigen Tages liegt, sondern auch mein Hotel3). Zuerst fahre ich jedoch zum Strand1). Die Küste bei Saint-Laurent-sur-Mer gehört zum Küstenabschnitt von Omaha Beach. Nach dem Einchecken will ich dann zu Fuss eine weitere Besichtigung4) machen.
Der Eintritt beträgt 7.20 Euro.
"Am 6. Juni 1944, im Morgengrauen, landeten die ersten alliierten Truppen am Utah Beach und Omaha Beach. Den ganzen Tag über landeten fast 155'000 Soldaten und 20'000 Militärfahrzeuge an fünf berühmten Stränden der Normandie: Sword Beach, Juno Beach, Gold Beach, Omaha Beach und Utah Beach. Der Kampf gegen die deutschen Truppen tobt weiter. Mehr als 10'000 Männer werden in den Kämpfen getötet, besonders am Omaha Beach. Schliesslich wurde der „Atlantikwall“ durchbrochen und den Alliierten gelang es, etwa 10 Kilometer ins Landesinnere vorzudringen und die ersten Städte zu befreien, darunter Sainte-Marie-du-Mont, Sainte-Mère-Eglise und Ranville."
In diesem Museum wird den Museumsbesuchern vor Augen geführt, mit welchen Mitteln die Deutschen die Strände befestigten.
"Am 14. Dezember 1941 forderte Hitler einen „Gürtel von Bollwerken“ an der 5'000 Kilometer langen Atlantikküste. Der Atlantikwall war eine 2'685 Kilometer lange Verteidigungslinie entlang der Küsten des Atlantiks, Ärmelkanals und der Nordsee. Sie wurde im Zweiten Weltkrieg von den deutschen Besatzern in den Ländern Frankreich, Belgien, Niederlande, Dänemark, Norwegen, den britischen Kanalinseln sowie dem Deutschen Reich im Zeitraum 1942 bis 1944 geplant und teilweise erbaut. Der Atlantikwall sollte eine Invasion der Westalliierten verhindern."
"Rommel erkannte bald die sehr geringe Verteidigungstiefe des Atlantikwalls; daher liess er die Strände und die Brandungszonen verbarrikadieren. In grosser Zahl wurden Hindernisse errichtet; diese bestanden aus mehreren Reihen sogenannter Tschechenigel, Hemmbalken, von denen viele an den Spitzen mit Minen oder Sprenggranaten bestückt waren, und Stacheldrahtverhauen. In grossem Massstab wurden Küstengebiete, Uferzonen und Zwischenräume zwischen einzelnen Widerstandsnestern vermint. Vielerorts kamen auch „Rommelspargel“ zum Einsatz; diese aus Masten und dazwischen gespanntem Draht gebildeten Hindernisse auf freiem Feld sollten Luftlandeoperationen vermeiden oder zumindest deutlich erschweren. Systeme aus Gräben, Wassergräben, Panzermauern und Brandfallen ergänzten die Befestigungen. Zur Sicherheit wurden küstennahe Gebäude enteignet und abgerissen oder stellenweise in die Verteidigungsanlagen integriert. Die Küstenstädte wurden meist mit mehreren Widerstandsnestern und/oder Festungen umgeben; in den Städten selbst gab es an verschiedenen Stellen Verteidigungspunkte. Auch wurden bestehende Verteidigungsanlagen umgebaut und ergänzt. Am „Atlantikwall“ in Frankreich arbeiteten ab November 1943 insgesamt 291'000 Mann, darunter u.a. 15'000 Deutsche und 85'000 Franzosen. Baustellen mit bis zu 1'000 Mann waren keine Seltenheit. Zwangsarbeiter und verschiedene Widerstandsgruppierungen verübten häufig Sabotageakte, was die Bauarbeiten, zusätzlich zur Gefahr durch den immer stärker luftüberlegenen Gegner, erheblich erschwerte."
Nun fahre ich zu meinem Hotel. Schon bei der Buchung wusste ich, dass es mir hier gefallen wird.
"The same procedure as every day, Ueli".
Nach der Dusche und dem Umziehen, laufe ich zum Widerstandsnest WN65.
"Der erste bedeutende Durchbruch gelang um 9:00 Uhr am Abschnitt Dog White. Hier bestand die Verteidigung nur aus leichtem, nicht konzentriertem Maschinengewehrfeuer aus dem Widerstandsnest 70. 31 deutsche Soldaten der 352. Infanteriedivision wurden gefangen genommen. Etwa 20 Minuten später gelang es der Kompanie C des 116. Regiments und Rangern des 5. Ranger-Bataillons, unter dem Befehl von General Norman Cota, den steilen Strandabschnitt zu ersteigen und in das Hinterland vorzudringen. General Cota führte seine Männer von Osten nach Vierville und kämpfte sich dann den Weg zum Strand (D1 Beach Exit) hinunter. Gegen 10:00 Uhr lagen am Strand ca. 2'000 Tote, und die Offiziere begannen die verbliebenen Soldaten neu zu gruppieren. Sie kämpften sich anschliessend durch die klippennahen Minenfelder und Hindernisse, um weiter gegen die deutschen Stellungen vorrücken zu können. Kurz darauf begann die Belagerung des Widerstandsnestes 64 östlich des Ruquet-Tals am E1 Beach Exit, das in der Folge von den Deutschen aufgegeben wurde. WN 65 fiel etwa um 10:30 Uhr. Damit war E1 freigekämpft, und die Amerikaner konnten an dieser Stelle den Vormarsch ins Hinterland beginnen."
Bildquelle wikimedia.org: Männer der 2. US-Infanteriedivision am E1 Beach Exit und das Widerstandsnest 65 am 7. Juni 1944 ...
... und auf dem gleichen Hügel am 8. Oktober 2021.
Zum Hotel zurück laufe ich auf dem geschichtsträchtigen Strand.
Per Zufall entdecke ich in Strandnähe das Charles Shay Indianer Denkmal.
"Charles Norman Shay (geboren am 27. Juni 1924) ist ein Stammesältester der Penobscot Indianer, Schriftsteller und dekorierter Veteran vom Zweiten Weltkrieg und Koreanischen Krieg. Zusammen mit dem Bronzestern und Silberstern wurde Shay auch mit der Ehrenlegion (die ranghöchste Auszeichnung Frankreichs) ausgezeichnet. Damit ist er der erste amerikanische Ureinwohner mit der Auszeichnung eines französischen Chevaliers."
Nun aber genug Sightseeing für heute. Ich kehre zum Hotel zurück und genehmige mir im Restaurant ein lokales Bier.
Beim Abendessen ist meine Wahl schnell getroffen: Ich bin hier am Meer, deshalb will ich Essen aus dem Wasser.
Et voilà! Als Vorspeise Saumon mariné ...
... und zum Hauptgang une assiette de fruits de mer avec huîtres (Austern), crevettes roses (Garnelen), langoustines (Langusten), bulots (Wallhornschnecken) et crevettes grises (Sandgarnelen).
Alles war lecker, bis auf die mich irgendwie an Kakerlaken erinnernden winzigen Garnelen. Auf meine Frage, was man davon isst, meint der Kellner "comme vous voulez"; er esse sie ohne Kopf und Schwanz. Also breche ich vorne und hinten etwas von diesen Winzlingen ab; zurück bleibt nicht mehr viel. Der ungeschälte Rest knirscht zwischen meinen Zähnen. Diejenigen, die mich kennen wissen, dass ich sehr offen für Interkulturalität bei der Ernährung bin, aber hier muss ich passen und lasse einen grossen Teil auf dem Teller zurück. Sorry Natacha.
"Sandgarnelen kann man entweder gekocht und geschält essen oder sie mit der Schale fein mixen und Garnelen-Kroketten machen."
Heute habe ich wieder mal einen fixen Termin, muss ich doch um 10 Uhr beim Museum sein. Gemäss Navi benötige ich dorthin eine Stunde und zwei Minuten.
Frühstück bei Chemineefeuer; da möchte man(n) gerne länger bleiben, aber eben, die Pflicht ruft ...
Den heutigen Museumsbesuch habe ich als einzigen schon zu Hause gebucht und bezahlt (19 Euro). Das Museum bietet etwas, was ich auf keinen Fall wegen zuvielen Leuten verpassen möchte.
Viertel vor zehn Uhr stehe ich vor dem noch geschlossenen D-Day Experience Museum in Saint-Côme-du-Mont. Während dem Warten schaue ich mir die externen Ausstellungsstücke an.
"Dieser amerikanische leichte Panzer Stuart M5 wurde zwischen 1942 und 1944 hergestellt und hatte hauptsächlich eine Aufklärungsfunktion im Feld. Am 7. Juni 1944 wurde der Panzer Nr. 12 des 70. Panzerbataillons direkt vor dem historischen Haus zerstört. Dieser Stuart-Panzer, der vor dem Dead Man's Corner Museum zu sehen ist, ist die genaue Nachbildung des im Juni 1944 zerstörten Panzers."
"8,8-cm-PaK 43. Dieses in Deutschland hergestellte deutsche 88-mm-Geschütz war eine der am häufigsten verwendeten Artilleriewaffen der deutschen Flugabwehrtruppen in der Schlacht um die Normandie. Es wurde von den Alliierten wegen ihrer hohen Schussrate, ihres Zielfernrohrs und ihrer präzisen Zielscheibe während der Flugabwehrschüsse gefürchtet (etwa dreimal so stark wie die Waffen der Alliierten). Kürzlich neu gestrichen, kann dieses seltene authentische Objekt ausserhalb des Museums gesehen werden."
Pünktlich um 10 Uhr geht der Rollladen hoch und ich trete als erster Besucher ein. Bei der Kasse erhalte ich mein Ticket und die Zeiten 11 Uhr für die Simulation und 11.30 Uhr für das Kino. Ich darf meinen Tankrucksack und den Helm mit den Handschuhen bei der Kassierin deponieren. Ich könne jetzt mit der Besichtigung der beiden Museen beginnen und nach den Vorführungen fortsetzen. Ich beginne mit dem Dead-Man's Corner Haus, gleich unten bei der Strassenkreuzung.
"Am Morgen des 6. Juni 1944 sprangen 13'000 Fallschirmjäger der 101. US-Luftlandedivision und der 82. US-Luftlandedivision über der Normandie ab. Bis zum Morgen des 7. Juni 1944 waren die Soldaten aus Saint-Côme-du-Mont kommend bis kurz vor die Stadt Carentan gelangt. Als der erste Panzer, ein Light Tank M5 des 70. Panzerbataillons, die Kreuzung überqueren wollte, wurde er durch Soldaten des 6. Deutschen Fallschirmjägerregimentes abgeschossen. Ein Turmtreffer setzte das Fahrzeug ausser Gefecht und tötete den Panzerkommandanten. Die Leiche des Mannes blieb noch mehrere Tage im Turm des Panzers hängen. Die amerikanischen Fallschirmjäger sprachen zunächst von der „corner with the dead man in the tank“ („Die Ecke mit dem Toten im Panzer“), aber schnell wurde daraus „Dead Man’s Corner“."
"Das Haus, welches heute beinahe unverändert dort steht, wurde von den Soldaten des 6. Deutschen Fallschirmjägerregimentes als Stabsquartier und Sammelstelle für Verwundete genutzt. Im Gebäude befinden sich heute neben einem grossen Shop das „Paratrooper Museum“, welches der Geschichte des 6. Deutschen Fallschirmjägerregimentes gewidmet ist."
Nach den paar wenigen Räumen als Museum, überrascht die Grösse des Souvenirs-Shops. Alles Mögliche (und Unmögliche) wird angeboten.
Ich kaufe nichts, brauche nichts, auch ein 'Schweizeroffiziersundsportmesser' nicht.
Nun kehre ich zum D-Day Experience Eingang zurück und beginne, mich im Museum umzuschauen. Speziell: Unter "The Jacket of" erzählen diese Original-Jacken die traurigen Geschichten ihrer Besitzer.
Kreativ: "Der Abwurf von Fallschirmjägerpuppen über der Normandie ist der wohl bekannteste Einsatz dieser Art. Die eingesetzten britischen Puppen wurden in den USA gefertigt und dann nach Grossbritannien verschifft. Am frühen Morgen des 6. Juni 1944 wurden zur Verwirrung der deutschen Verteidiger als Vorbereitung der Invasion hunderte Puppen entlang des Küstenhinterlands abgeworfen. Dies lenkte viele deutsche Einheiten von den eigentlichen Absprungzonen der Alliierten ab. Mit den Puppen sprangen auch sechs Soldaten des Special Air Service ab. Sie erzeugten zusätzlich laute Kampfgeräusche und führten Ablenkungsattacken auf deutsche Positionen aus. Die für die Operation Titanic benutzten Puppen erhielten den Spitznamen Rupert; der offizielle Name war “Device Camouflage No. 15”. Sie waren aus Sackleinen gefertigt und waren mit Stroh oder auch mit Grünabfällen befüllt. Die Puppen sind unbeweglich und mit ca. 85 cm kleiner als ein Mensch, können aber in der Luft und am Boden während der Dämmerung optisch nur schwer von Fallschirmspringern unterschieden werden. Hinzu kommt, dass auch echte Fallschirmspringer sich während des Sprungs bewegungslos an den Seilen hängen liessen, um von verteidigenden Bodentruppen nicht von mitspringenden Puppen oder bereits in der Luft erschossenen Kameraden unterschieden werden zu können."
Endlich ist es soweit um zum Eingang zurückzukehren. Dort werden die Museumsbesucher gesammelt und die Tickets kontrolliert, ob die Zeit stimmt. Danach werden wir zum Briefing Room geführt.
Der Avatar von Lt. Colonel Robert Lee "Bull" Wolverton, von der 101st Airborne Division informiert uns Soldaten, dass wir in wenigen Minuten in den bereitstehenden Transporter C-47 steigen werden um über den Ärmelkanal zu fliegen. Er stimmt uns auf die bevorstehenden Kampfhandlungen in der Normandie ein. Nach einem Gebet wünscht er uns "Good luck".
Obwohl Wolverton vor der Landung auf französischem Boden getötet wurde, bestand sein Vermächtnis fort, insbesondere aufgrund seines Gebets, das er Stunden vor dem Abspringen der Fallschimrjäger hinter die feindlichen Linien am D-Day zu den 750 Männern seines Bataillons gesprochen hat:
"Men, I am not a religious man and I don't know your feelings in this matter, but I am going to ask you to pray with me for the success of the mission before us. And while we pray, let us get on our knees and not look down but up with faces raised to the sky so that we can see God and ask his blessing in what we are about to do: God almighty, in a few short hours we will be in battle with the enemy. We do not join battle afraid. We do not ask favors or indulgence but ask that, if You will, use us as Your instrument for the right and an aid in returning peace to the world. We do not know or seek what our fate will be. We ask only this, that if die we must, that we die as men would die, without complaining, without pleading and safe in the feeling that we have done our best for what we believed was right. O Lord, protect our loved ones and be near us in the fire ahead and with us now as we pray to you."
Wir verlassen den Raum und gehen zum wartenden Flugzeug ...
steigen ein ...
und schnallen uns an.
Das Licht wechselt auf rot. Die Motoren werden gestartet. Wir rumpeln über die Startbahn, werden schneller und heben vom Boden ab.
Durch die Fenster sehen wir andere Flugzeuge und ...
Während der genialen Flugsimulation gehen meine Gedanken zu den vielen Soldaten, die wirklich in einem solchen Flugzeug gesessen haben. Was sie wohl gedacht haben? In Kürze würden sie aus dem Flugzeug über unbekanntem Gebiet abspringen und danach in Kampfhandlungen verwickelt werden. Wenn überhaupt, den zuerst müssen sie den Absprung und die Landung überleben. Wie gingen sie mit der Angst um? Es waren wohl kaum alles Helden ...
Eine halbe Stunden später bin ich in Sainte-Marie-du-Mont an der Utah Beach. Das Utah Beach Landing Museum steht auf dem Programm. Irgendwie spüre ich keine grosse Lust auf die Besichtigung. Habe ich schon zuviele Museen besucht oder liegt es daran, dass der Parkplatz relativ weit weg liegt und ich mein Gepäck in Töff-Kleidern beim schönstem Sonnenschein tragen muss? Das Gepäck darf ich dann bei der Kasse deponieren. Nach dem Zeigen des Covid-Zertifikates kann ich das Mueum ohne aufgesetzte Maske besichtigen.
"Das Utah Beach Landing Museum wurde an dem Strand erbaut, an dem die ersten amerikanischen Truppen am 6. Juni 1944 landeten, und erzählt die Geschichte des D-Day in 10 Sequenzen, von der Vorbereitung der Landung bis zum Endergebnis und Erfolg. Diese umfassende chronologische Reise lässt die Besucher durch eine reiche Sammlung von Objekten, Fahrzeugen, Materialien und mündlichen Geschichten in die Geschichte der Landung eintauchen. Bewundern Sie einen originalen B26-Bomber, eines von nur sechs verbliebenen Exemplaren dieses Flugzeugs, das weltweit noch existiert."
"Sonderkraftfahrzeug 303, der seltsamste Panzer des Zweiten Weltkriegs. Ob als rollende Bombe, Strassenleger oder gigantischer Minenräumer, der deutsche Panzer wurde in allen erdenklichen Spezialversionen gebaut."
Eigentlich wäre nun noch der Besuch vom Normandy Victory Museum in Carentan angedacht, aber "ig mag nümme".
"Das Normandie Victory Museum empfängt Sie im Herzen der Cotentin-Sümpfe in Carentan in der Normandie. In rund zwanzig Szenen, inmitten einer Ausstellung von mehr als 10'000 authentischen Sammlerstücken, lädt unser Museum sie auf eine bewegende Reise mit denen ein, die gelebt und Geschichte geschrieben haben. Ob Kombattanten oder Zivilisten, Nationalhelden oder Helden des Alltags, wir zollen ihnen Tribut."
Meine letzte Fahrt heute führt mich nach Granville. Wer weiss, wenn ich rechtzeitig ankomme schaffe ich vielleicht noch eine Fährverbindung zu einer der Inseln, die noch auf meinem Reiseradar sind. Nein natürlich nicht. Der Geheimtipp im Ärmelkanal, die Kanalinseln, die Vogtei Guernsey, mit den dazugehörenden Inseln Alderney, Herm und Sark, sowie Bailiwick (Vogtei) of Jersey, sind ein eigenständiges Projekt ...
Was ich nicht wusste ist, dass die Deutschen diese Inseln auch besetzt hatten. "Während des Zweiten Weltkrieges wurden die Kanalinseln von der Krone Mitte Juni 1940 demilitarisiert und zur offenen Stadt erklärt. Vor allem am 28. Juni kamen bei deutschen Luftangriffen 44 Personen, ausschließlich Zivilisten, ums Leben. Offensichtlich hatte niemand den Deutschen die Demilitarisierung mitgeteilt. Am Abend des 30. Juni 1940 landeten fünf deutsche Ju-52 ohne jegliche Gegenwehr auf dem menschenleeren Flugplatz von St. Helier. Sie beschlagnahmten Fahrzeuge und fuhren in die Stadt. Am ersten Juli landeten zehn Ju-52 in Guernsey. 22'656 der rund 94'000 Einwohner, darunter nahezu die komplette Einwohnerschaft der Insel Alderney, waren kurz zuvor nach Großbritannien evakuiert worden. Nur auf Sark gab es keine Evakuierungen."
Irgendwann unterwegs denke ich, dass ich bei der nächsten "Boulangerie" anhalten und etwas kleines essen will. Es dauert aber noch, weil ich entweder die Bäckerei zu spät entdecke (wie das bei innerorts 50 Km/h?), sie auf der falschen Strassenseite steht, sich keine Parkmöglichkeit bietet oder ich andere Gründe zum Nichtanhalten habe. Aber irgendwann stimmt alles, ich halte an, gehe rein und kaufe etwas; (habe nicht verstanden, was es ist, jedenfalls sans oignons.
Ich frage die Verkäuferin, was es mit dem Automaten draussen auf sich hat.
Die Baguettes werden in der Backstube gebacken, erklärt sie mir, und dann in den Automaten abgefüllt. Ich habe auch Pizza-Automaten gesehen, die wohl nach dem gleichen Prinzip funktionieren.
Um Vier Uhr komme ich bei meinem Hotel an und beziehe das Zimmer. So bequem, mein Zimmer liegt im Erdgeschoss. Nach meiner Umwandlung laufe ich auf der Rue Couraye ins Stadtzentrum und dann zum Hafen runter.
Mein Ziel am Hafen ist ein Fisch-Restaurant. Leider bin ich nicht der Einzige mit solchen Gelüsten, denn ich finde keinen Innenplatz in einem ansprechenden Restaurant. Draussen ist es zu frisch und nicht gemütlich. Zudem war ich lange genug an der frischen Luft. So laufe ich Ziel- und Planlos durch die Gässchen und warte auf eine Inspiration.
Nach dem Abendessen kehre ich in mein Hotel zurück.
Heute habe ich einen freien Tag. Frei nicht im Sinne von nichts machen, sondern frei von Besichtigungen. Meine Aufgabe ist es, von A nach B zu fahren. A wie Granville und B wie La Chaussée-d'Ivry. Schossee was? Beim Eintippen im Navi muss ich acht geben, damit ich den Ort richtig schreibe.
Komisches geschieht am Morgen: Da schleicht sich einer mit einer Rolle Toilettenpapier aus dem Hotel ...
Wer sitzt schon gerne auf ein nasses Motorrad?
Es ist zwar sonnig, aber kurz darauf bin ich von Nebel umhüllt.
Nach zwei Stunden gönne ich mir eine Aufwärmpause in einer Bar. Un pichet de thé à la menthe est parfait pour cela.
Nach 5 Stunden Fahrt komme ich in meinem Übernachtungsort an.
Oder bin ich schon wieder durch den Ort raus?
Offensichtlich bin ich im Département de l'Eure.
Oder doch eher im Département Eure-et-Loir?
Alles ist hier eng beieinander. Mein Hotel liegt in La Chaussée-d’Ivry, einer französischen Gemeinde im Département Eure-et-Loir. Von hier sind es noch rund 70 Kilometer bis nach Paris, deshalb habe ich diesen Übernachtungsort gewählt.
Beim Gepäck in den ersten Stock hochtragen, knarren die schiefen Treppenstufen. Es erinnert mich an ein altes Haus das vieles schon erlebt hat. Kein Wunder dass es zittert, kein Wunder dass es bebt ...
Ich mache mich auf, im Dorf ein Apéro-Etablissement zu entdecken. Sonntags?. Ein kleiner Laden ist geöffnet, so kaufe ich Bier & Chips und kehre zum Hotel zurück. Im Garten richte ich mich ein und mache es mir gemütlich.
Das Restaurant im benachbarten Golf-Hotel ist heute Abend - es ist Sonntag - geschlossen. Die Dame an der Rezeption weist mich auf ein italienisches Restaurant hin, das jeden Tag offen habe.
Il Mulino war offen und für den Zugang zu meinem Hotel habe ich eine Personal Identification Number erhalten, welcher mir die Türe öffnet.
Halb acht: C'est l'heure du petit déjeuner.
Das sieht wieder nach einem "Töff-trocken-reiben"-Einsatz aus, mit entsprechendem Material aus dem Zimmer.
Gestern beim Abendessen, als ich die Wegpunkte für heute eingeben wollte, kam mir wieder etwas in den Sinn: Wenn ich jeweils die Routen vom PC via Kabel an das Navi-Gerät übertrug, musste ich sie danach im Navi noch importieren. Als ich in der Routenplanung in der Menüauswahl "Importieren" drückte, erschienen sämtliche Routen. Ich suchte mir die aktuell benötigten aus, gelöst ist meine Problem. Technik!
Ich weiss jetzt nicht, ob ich das Nachstehende wirklich schreiben soll. Je näher ich mich auf der Autobahn Paris nähere, je mehr Strassenverzweigungen gibt es. Irgendeinmal reagiere ich falsch und fahre auf der falschen Autobahn weiter. Eigentlich wollte ich von Nord-West in Paris einfahren, nun komme ich von Süd-West, von Versailles her, in die Stadt hinein. Ja nu, habe ich halt ein paar Kilomter zuviel gemacht.
In Paris will ich weder Besichtigungen machen noch übernachten, aber ich will vier Ziele anfahren, beim ersten stehe ich nun, dem Arc de Triomphe.
"Der Arc de Triomphe de l’Étoile ist ein von 1806 bis 1836 errichtetes Denkmal im Zentrum der Place Charles-de-Gaulle. Er gehört zu den Wahrzeichen der Metropole. Unter dem Bogen liegt das Grabmal des unbekannten Soldaten aus dem Ersten Weltkrieg mit der täglich gewarteten Ewigen Flamme, im Gedenken an die Toten, die nie identifiziert wurden. Das ganze Jahr hindurch finden Kranzniederlegungen und Ehrungen statt, die ihren Höhepunkt in der Parade am 11. November finden, dem Jahrestag des Waffenstillstands zwischen Frankreich und Deutschland im Jahr 1918. Für Fussgänger ist der Arc de Triomphe nur durch eine Unterführung erreichbar; der Triumphbogen verfügt über eine Aussichtsplattform."
Der Kreisel um das Denkmal herum ist riesig. Ich fahre ihn zwei mal, bis ich auf der richtigen Seite zum Fotografieren anhalte. Von der Sonne her okay, aber dafür hat es hier Baukräne, noch von der Christos-Verhüllung herrührend.
"Fast 60 Jahre nach der Ideenfindung wurde die Verhüllung des Triumphbogens realisiert. Am 18. September 2021 war es soweit: Die von Christo und Jeanne-Claude konzipierte Verhüllung des Triumphbogens (»L’Arc de Triomphe, Wrapped«) wurde posthum realisiert. 16 Tage lang, bis zum 3. Oktober 2021, war das Werk zu sehen." Schade, das habe ich knapp verpasst.
Seit einiger Zeit habe ich mir Gedanken darüber gemacht, haben sich Vorstellungen entwickelt, wie die nächsten Minuten hier in Paris ablaufen sollen. Dazu brauche ich das passende Lied. Ich suche im Handy, finde es tief in meinen Erinnerungen (1969), klicke auf das Play-Symbol
und lege den ersten Gang ein. Los gehts ...
Im Helm höre ich Joe Dassin, während ich die Avenue des Champs Élysées runterfahre. Beim Refrain singe ich kräftig mit.
Bei den Ampeln ist das Fotografieren stressig, weil ich nicht weiss, wann sie auf grün umschalten. Deshalb halte ich nach dem nächsten Fussgängerstreifen auf der linken Spur an; so kann ich mitten auf der Champs Élysées "in aller Ruhe" Fotos machen. Allerdings ist ein Auge auf die beiden Flics am rechten Strassenrand gerichtet.
"Die Avenue des Champs-Élysées, auch kurz Champs Élysées oder umgangssprachlich Les Champs genannt, ist eine Prachtstrasse in der französischen Hauptstadt. Sie ist 70 Meter breit und 1910 Meter lang, beginnt an dem Place de la Concorde und endet an der Place Charles-de-Gaulle. Die Champs-Élysées bilden den mittleren Teil der Sichtachse Axe historique zwischen dem Obelisque (Place de la Concorde) und dem Arc de Triomphe (Place Charles-de-Gaulle)."
Überrascht bin ich über den wenigen Verkehr auf dieser sechsspurigen Strasse, die Schnurgerade verläuft.
Viel zu schnell erreiche ich mein drittes Ziel in Paris, den Place de la Concorde. Hier mache ich mir auch die Freude, den mehrspurigen, grossen Kreisel zwei mal zu befahren, inkl. einem Fotohalt dazwischen.
"Der Place de la Concorde ist der grösste Platz von Paris. Er liegt nördlich der Seine (Rive droite) im 8. Arrondissement zwischen Jardin des Tuileries und Avenue des Champs-Élysées. Der Obelisk von Luxor ist ein 23,50 Meter hoher, etwa 230 Tonnen schwerer Monolith aus Granit. Der ägyptische Obelisk wurde im 13. Jahrhundert v. Chr. zur Zeit Ramses II. gefertigt und stand bis 1831 im Tempel von Luxor. Der Obelisk war ein Geschenk des von 1805 bis 1848 regierenden Vizekönigs von Ägypten, Muhammad Ali Pascha an den französischen König Louis Philippe. Seit 1836 steht er auf der Place de la Concorde in Paris und stellt eines der Monumente auf der Axe historique zwischen dem Louvre und der Grande Arche dar. Der Transport von Ägypten nach Frankreich dauerte drei Jahre."
Es hat mir so gefallen, weshalb ich auf der Les Champs wieder zurück fahre, bis mir das Navi zum x-mal sagt, ich solle links abbiegen.
Vor den Restaurants sitzen viele Leute; das wäre auch etwas für mich. Ich bin in so guter Stimmung, dass ich mir ein Mittagessen im Bistro oder einer Brasserie vorzustellen beginne. Aber wo parken? Da! Eine Parkgelegenheit direkt vor einer Gaststätte. Die schnappe ich mir und setze mich danach draussen an einen freien Tisch. Als der Kellner mir die Karte bringt, sehe ich, dass ich nicht in einer typischen französischen Gaststätte bin. Oder bin ich im Arabischen Viertel Barbès gelandet? Nein bin ich nicht.
Nach dem Mittagessen starte ich den Motor um zur vierten und letzten Besichtigung zu fahren. Was das wohl sein mag?
Wow, so nah bin ich, aber sobald die Ampel auf grün wechselt muss ich losfahren. Ich muss ein ruhigeres Plätzchen finden.
Wer sucht der findet. Allerdings geht das nur durch ignorieren der Anhalte-Verbotstafel.
"Der Eiffelturm (Tour Eiffel) ist ein 324 Meter hoher Eisenfachwerkturm. Er steht im 7. Arrondissement am nordwestlichen Ende des Champ de Mars, nahe dem Ufer der Seine. Das von 1887 bis 1889 errichtete Bauwerk wurde als monumentales Eingangsportal und Aussichtsturm für die Weltausstellung zur Erinnerung an den 100. Jahrestag der Französischen Revolution errichtet. Der nach dem Erbauer Gustave Eiffel benannte und zum Errichtungszeitpunkt noch 312 Meter hohe Turm war von seiner Erbauung bis zur Fertigstellung des Chrysler Building 1930 in New York das höchste Bauwerk der Welt. Mit der Ausstrahlung des ersten öffentlichen Radioprogramms in Europa 1921 und des ersten französischen Fernsehprogramms 1935 trug das Bauwerk als Sendeturm zur Geschichte des Hörfunks und des Fernsehens bei. Der Fernsehturm ist die wichtigste Sendeanlage des Grossraums Paris und beherbergt als Turmrestaurant das mit einem Michelin-Stern ausgezeichnete Restaurant Le Jules Verne. Als höchstes Bauwerk von Paris prägt er das Stadtbild bis heute und zählt mit rund sieben Millionen zahlenden Besuchern pro Jahr zu den meistbesuchten Wahrzeichen der Welt. Der Turm ist eine der bekanntesten Ikonen der Architektur und der Ingenieurskunst. Der Eiffelturm ist das Vorbild vieler Nachahmerbauten und wird in Kunst und Kultur im Zusammenhang mit Paris und Frankreich vielfach aufgegriffen. Er gilt als nationales Symbol der Franzosen und avancierte zu einer weltweiten Ikone der Moderne."
Wer kam eigentlich auf die Idee, Fotos mit schrägem Sujet zu machen? Ich finde das unschön.
So, das war mein Paris. Da ich gespannt auf mein Zimmer bin, fahre ich nun auf direktem Weg nach Versailles zu meinem Hotel ...
wo ich im Innenhof parken kann.
Mein Spaziergang führt mich vom Hotel aus durch den leeren Marché Notre Dame, vorbei an gut besuchten Bistros (später kehre ich hierher für einen Apéritif zurück) und ...
... durch die Passage de la Geôle ins Antiquitätenviertel.
Kurz darauf stehe ich vor der Notre-Dame de Versailles und trete ein.
"Das Stadtviertel Notre-Dame wurde ab 1682 von Ludwig XIV. im Norden von Versailles gegründet. Es sollte die Umgebung des Schlosses verschönern. Es ist also das älteste Stadtviertel von Versailles. Die Kirche Notre-Dame war zugleich die Pfarrkirche des Königs und des Hofes. Die erste Bausteinlegung fand am 10. März 1684 statt und die Weihe der Kirche am 30. October 1686."
Wer hat's erfunden?
Es ist Montag, ich weiss. Die Sehenswürdigkeit von Versailles ist geschlossen.
Klar habe ich für dieses Foto gefragt.
Die umfangreichen und wirklich sehr grossen Gartenanlagen können besichtigt werden.
Ich benutzte den Eingang in der Nähe vom Petit Trianon ("ein Lustschloss, das im Auftrag von Ludwig XV. für die königliche Mätresse Madame de Pompadour errichtet wurde und später in den Besitz von Marie Antoinette kam.", nordwestlich des Schlosses.
Die gartenseitige Ansicht vom Schloss mit Aussicht auf einen Teil der Gartenanlage.
Über den seitlichen Garten gelange ich zum Haupteingang und ...
... trete näher ...
... noch näher und werfe einen Blick durchs "Schlüsselloch".
A Toutes Les Gloires de la France: Im Jahr 1831 beschloss der sogenannte Bürgerkönig Louis-Philippe, das Schloss von Versailles zu einem Museum, Zum Ruhme Frankreichs, umzugestalten.
Nun verlasse ich die Schlossanlage an einem anderen Ausgang und realisiere, dass ich keinen Stadtplan bei mir habe. Soll ich den Schlossbewohner nach dem Weg fragen, der gleich da vorne steht?
"Louis XIV, Ludwig der Vierzehnte, (* 5. September 1638 in Schloss Saint-Germain-en-Laye; † 1. September 1715 in Schloss Versailles), war ein französischer Prinz aus dem Haus Bourbon und von 1643 bis zu seinem Tod König von Frankreich und Navarra sowie Kofürst von Andorra. Bereits im Alter von vier Jahren wurde Ludwig XIV. offiziell König; er stand jedoch zunächst unter der Vormundschaft seiner Mutter Anna von Österreich. Durch eine expansive Aussenpolitik und mehrere Kriege (Holländischer Krieg, Pfälzischer Erbfolgekrieg, Spanischer Erbfolgekrieg) löste Ludwig sein Land aus der habsburgischen Umklammerung und festigte Frankreichs Stellung als dominierende Grossmacht in Europa. Ludwig XIV. gilt als wichtigster Vertreter des höfischen Absolutismus und Gottesgnadentums. Die von ihm etablierte Hofkultur, deren zentrales Symbol die herausragende Stellung und das prunkvolle Auftreten des Königs war, wurde zum Vorbild für Höfe in ganz Europa. Ludwig förderte Kunst und Wissenschaft, was eine Blütezeit der französischen Kultur zur Folge hatte, die sich im Stil Louis-quatorze ausdrückte. Sein Wirken war deshalb auch prägend für die kunst- und architekturgeschichtliche Epoche des klassizistischen Barocks. Bestes Beispiel hierfür ist das von Ludwig erbaute Schloss Versailles, das als Höhepunkt der europäischen Palastarchitektur gilt. Ludwig XIV. erhielt den Beinamen „Sonnenkönig“ (Roi-Soleil), denn die Sonne war der Mittelpunkt des Sonnensystems, so wie er der Mittelpunkt Frankreichs war. Sein Ziel war es, die Macht Frankreichs auszubauen. Als er am 1. September 1715 nach 72-jähriger Regentschaft starb, war er einer der am längsten herrschenden Monarchen der neuzeitlichen Geschichte."
Als ich im Hotel nach einem Restaurant gefragt habe, wurde mir das Le Boeuf à la Mode empfohlen.
(Abend)Essen, wie Gott in Frankreich: Als ich die Speisekarte bekomme, tue ich mich schwer, so viel Leckeres entdecke ich. Trotz Emmentaler kann ich schon mal eine Suppe ausschliessen: "Soupe à l'oignon gratinée à l'emmental, pain de campagne".
Ich beginne mein Abendessen mit etwas Hausgemachtem, "Tranche de Foie Gras maison, Pain de campagne, chutney de rhubarbe", ich bin ja schliesslich in Frankreich. Nach dieser Vorspeise nehme ich die Menükarte wieder zur Hand. Genau, das ist es, eine weitere Vorspeise ist nach meinem Geschmack. So bestelle ich "Escargots de Bourgogne (6) au beurre d'ail." Da ich mir unter "Noix de Saint Jacques Sauce Noilly Prat, Garniture au choix" nichts vorstellen kann, frage ich die Bedienung. Hilfreich nimmt sie ihr Handy und zeigt mit ein Foto. Alles klar, ich kenne diese Köstlichkeit und Coquille Saint-Jacques, Jakobsmuscheln.
Das Frühstück gehabt, das Gepäck auf dem Motorrad, das Fenster im Zimmer Coronaconform geöffnet. Die lange Fahrt kann beginnen ...
Nach einer gefühlten Ewigkeit, seit meinem Start in Versailles sind fünf Stunden vergangen, halte ich beim grössten US-militärischen Friedhof in Europa an.
Wie die Eingangspforte zeigt, einmal mehr eine sehr grosszügige Soldatenfriedhofsanlage; 130,5 Hektaren gross.
Auf dem Meuse-Argonne American Cemetery, bei Romagne-sous-Montfaucon, einer sehr kleinen Gemeinde im Département Meuse, liegen insgesamt 14’246 militärische Tote. Die meisten der hier begrabenen Soldaten verloren ihr Leben währen der Maas-Argonnen-Offensive des Ersten Weltkrieges.
"Die Maas-Argonnen-Offensive war eine grössere Schlacht im Ersten Weltkrieg. Sie war der grösste Sieg für die US-amerikanischen Expeditionsstreitkräfte in diesem Krieg. Die Offensive fand zwischen dem 26. September und dem 11. November 1918 im Verdun-Sektor statt, unmittelbar nördlich und nordwestlich der Stadt Verdun. Sie war Teil der von Marschall Ferdinand Foch geplanten, später so genannten Hunderttageoffensive, die entlang der gesamten Westfront Druck auf die Deutschen ausüben sollte."
Bildquelle https://commons.wikimedia.org
Die immense Anordnung von Grabsteinen, militärische Ausrichtung über den Tod hinaus.
"Die American Battle Monuments Commission wurde 1923 vom Kongress gegründet und ist eine Behörde der Exekutive der Bundesregierung. ABMC - Hüter der amerikanischen Gedenkfriedhöfe und Denkmäler in Übersee - ehrt den Dienst, die Leistungen und die Opfer der US-Streitkräfte."
Auf der Webseite von ABMC finde ich Daten über die US-Soldatenfriedhöfe und Denkmäler, die es an vielen Orten auf der Welt gibt.
"ABMC administers, operates, and maintains 26 permanent American military cemeteries, and 30 federal memorials, monuments, and markers, which are located in 17 foreign countries, the U.S. Commonwealth of the Northern Mariana Islands, and the British dependency of Gibraltar; three of the memorials are located within the United States. These cemeteries and memorials are among the most beautiful and meticulously maintained shrines in the world. In addition to grave sites, the World War I and II cemeteries, together with the three memorials on U.S. soil, also commemorate by name those U.S. service members who were missing in action, or lost or buried at sea during World War I, World War II, the Korean War, and the Vietnam War. There are 207,621 U.S. war dead from World War I and World War II commemorated at ABMC sites; this includes 30,973 interments and 4,456 memorializations for World War I, and 92,958 interments and 78,985 memorializations for World War II. Additionally, the names of 8,209 individuals listed as missing from the Korean War and 2,504 individuals from the Vietnam War are memorialized at ABMC’s Honolulu Memorial. ABMC also administers Mexico City National Cemetery, Corozal American Cemetery in Panama, and Clark Veterans Cemetery in the Philippines."
Erschütternd diese Zahlen. Der grösste Friedhof befindet sich demnach bei Manila, Philippinen, mit 16'859 Bestattungen und 36'286 Vermissten (Zweiter Weltkrieg). Der zweitgrösste ist derjenige hier, den ich jetzt besuche. 14'246 Bestattungen und 954 Vermisste (Erster Weltkrieg).
Nach meiner Weiterfahrt halte ich bei Brieulles-sur-Meuse, bei einem Französischen Soldatenfriedhof vom Ersten Weltkrieg an. Hier ruhen 2'572 Tote, darunter, so wie ich es verstehe, auch deutsche Zwangsarbeiter: 35 Belgier, 1 Brite, 123 Russen sowie 24 Franzosen.
Ich fahre weiter um kurz danach einem Wegweiser zu einem Deutschen Soldatenfriedhof zu folgen.
Die bescheidenen Ausmasse täuschen; hier ruhen 11'277 Deutsche Soldaten, gefallen im Ersten Weltkrieg.
Nach einer guten halben Stunde Fahrt halte ich bei einer weiteren, sehr tragischen Gedenkstätte des Ersten Weltkrieges, Beinhaus von Douaumont.
Beim Bezahlen des Eintritts von 6 Euro werde ich darauf aufmerksam gemacht, dass in ein paar Minuten ein Film über die Gedenkstätte beginnt. Ich darf mein Gepäck abgeben und gehe in den Filmsaal. Da ist es schön warm, dafür bin ich aber zu warm angezogen. Obwohl ich die Motorradjacke ausziehe, nicke ich während dem Film immer wieder ein.
"Die Schlacht von Verdun: 21. Februar –18. Dezember 1916. 300 Tage und 300 Nächte lang heftige Gefechte. Eine nicht enden wollende Flut von Granaten und Artilleriefeuer. Eine grauenhafte Bilanz: 300'000 Männer, Deutsche wie Franzosen, haben das Leben verloren. Viele von Ihnen bleiben für immer verschollen, viele wird man niemals identifizieren können."
"Ende 1918: Der Bischof von Verdun, Monseigneur Ginisty, begibt sich gleich in den ersten Stunden des Waffenstillstands auf die Schlachtfelder. Was ihn dort erwartet, ist grauenvoll. Tausende von Körpern, die nicht mehr wiederzuerkennen sind. Diese Entdeckung führt zu der Idee, eine Weihestädte für die unbekannten Soldaten zu schaffen. 1920: Die ersten beiden Steine des geplanten Monuments werden von seinem Gründer, Monseigneur Ginisty, dem Maréchal Petain und der Fliegerstaffel Lafayette gelegt. Es wird ein Architektenwettbewerb für den Bau des Monuments ausgeschrieben; den Zuschlag erhalten Azema, Edrei und Hardy. 1924–1932: Während die ersten auf den Schlachtfeldern aufgesammelten sterblichen Überreste unbekannter Soldaten in einer provisorischen Kapelle vorläufige Ruhe finden, wird mit dem Geld, das Monseigneur Ginisty, seine Mitarbeiter und das Komitee des Beinhauses gesammelt haben, das Monument errichtet. Die Hauptfassade des Monuments zeigt die Wappen der 147 Städte, Regionen und Länder, die sich an der Finanzierung des Bauwerks beteiligt haben. 1927: Das Beinhaus befindet sich noch im Bau, als dort die erste bedeutende Zeremonie vor mehr als 30'000 Personen abgehalten wird. Die ersten unbekannten Körper werden von der provisorischen Kapelle zum Monument überführt. 1932: Offizielle Einweihung des Monuments durch den französischen Staatspräsidenten Albert Lebrun."
Zentrales Element des Monuments ist der 137 m lange Gewölbegang des Beinhauses. Er erschliest die 22 Kammern mit den Grabmalen, die für die 46 Schlachtfeldbereiche der Schlacht von Verdun stehen. Unter diesen Grabmalen liegen Gebeine von 130'000 unbekannten Soldaten, die nach dem Waffenstillstand auf den Feldern des Schlachtfelds von Verdun aufgelesen wurden.
Im Beinhaus steige ich die Stufen zum 46 Meter hohen Turm, auch „La Lanterne des morts“ (Laterne der Toten) genannt, hinauf.
Im September 1984 trafen sich der französische Präsident François Mitterrand und der deutsche Bundeskanzler Helmut Kohl zu einer grossen Versöhnungsfeier. Zur Erinnerung an dieses Treffen wurde vor dem Beinhaus eine Gedenkplatte installiert. Sie trägt folgende Inschrift:
Als ich zu meinem geparkten Töff zurückkomme, finde ich einen Werbeflyer von einem Hotel unter dem Scheibenwischer.
Wie es der Zufall will, ist er von meinem gebuchten Hotel. Sie machen auf eine gesperrte Strasse aufmerksam. Es dauert seine Zeit, bis sich auch mein Navi auf die Umfahrung einstellt. Die kleine Gemeinde Marre - 200 Einwohner? - liegt sehr abgelegen.
Ich bin gespannt, wie ich im Village Gaulois (Gallisches Dorf) erwartet werde.
Als ich meinen Hinkelstein parke, sehe ich jedendalls schon mal Asterix und Obelix. Kurz darauf kommt ein bärtiger Mann daher. Miraculix? Der Besitzer stellt sich als Monsieur Herrgott vor. Klar spreche ich ihn auf die Bedeutung seines Namen an, wohl nicht als erster, worauf er meint, der Herrgott sei im Himmel, er sei Herrgott hier auf der Erde. Seine Frau kommt dazu und führt mich zu meinem Zimmer ...
... wo mich zwei nackte Frauen erwarten,
unterzeichnet mit "d'après Picasso".
Mir gefällt der spezielle Baustil.
Später gehe ich ins Restaurant. Ob es Wildschweinbraten gibt?
Der kurze Weg vom Zimmertrakt zum Restaurant lässt mich fühlen, was mich heute erwartet.
Ich gebe es zu, die Freude am Motorradfahren ist noch tiefer gesunken als die Temperaturen. Töfffahren bei 6 Grad, da denke ich unweigerlich an die "Verrückten" der Elefantentreffen. Ein Mitmachen steht bei mir keinesfalls auf der To-do-Liste
"Das Elefantentreffen ist ein Motorrad-Wintertreffen, das jährlich, jeweils am ersten Wochenende im Februar oder am letzten Wochenende im Januar, abgehalten wird. Das Treffen wurde 1956 von Ernst Leverkus gegründet, der es als Treffen für winterharte Fahrer der bekannten Zündapp-KS 601-Gespanne organisiert hatte. Die KS 601 („Grüner Elefant“) gab dem Treffen seinen Namen. Es wird vom Bundesverband der Motorradfahrer ausgerichtet. Seit 1989 ist es im Bayerischen Wald beheimatet, wo es in schneesicherer Lage in einem Talkessel zwischen den Orten Loh, Thurmansbang und Solla in der Nähe der tschechischen Grenze stattfindet. Jedes Jahr nehmen zwischen 5'000 und 10'000 Motorradfahrer aus ganz Europa teil."
Beim Frühstück checke ich nochmals die Länge und Dauer der heutigen Tagesetappe: 220 Km und mindestens 4 1/2 h Fahrtzeit liegen vor mir. Das schleckt keine Geiss weg. Leider.
Nach einem Tankaufenthalt ohne Einkehrmöglichkeit und einem zusätzlichen Zwischenverpflegungsstopp, erreiche ich nach 3 1/4 Stunden meine letzte Besichtigungsstätte dieser Tour: Cimetière militaire américain de Saint-Avold.
"Der Gedenkstätte Lorraine American Cemetery and Memorial in Saint-Avold liegt in der geschichtsträchtigen Region Lothringen, die im Nordosten Frankreichs an Belgien, Luxemburg und Deutschland angrenzt. Mit 10’487 Gräbern ist er der grösste US-amerikanische Soldatenfriedhof des Zweiten Weltkrieges in Europa. Dort sind hauptsächlich US-Soldaten bestattet, die während des Vormarsches bis zum Rhein 1944/45 gefallen sind. Der Friedhof hat eine Fläche von 47 Hektar und ist in neun symmetrische Teile unterteilt. Er wurde 1945 gegründet, 1960 fertiggestellt und wird durch die American Battle Monuments Commission verwaltet. Wie in vielen Soldatenfriedhöfen sind die Gräber in Abhängigkeit von der Religion des Soldaten verschieden: unter anderem gibt es das christliche Kreuz und den Davidstern. Weiterhin befindet sich ein Aussichtsturm und ein Denkmal innerhalb des Friedhofes. 50 Jahre nach Kriegsende, im Gedenkjahr 1995, zog der Friedhof ausserordentlich viele Besucher an: rund 200’000."
Als erstes suche ich das Empfangsgebäude auf, primär um mich aufzuwärmen. Da höre ich eine Stimme die mich fragt, ob ich Fragen hätte. Ich drehe mich um und komme mit Jack, einem Amerikaner, ins Gespräch. Als Leiter der Gedenkstätte führt er auch die Sicherheits- und Unterhalts-Mitarbeiter. Ich nutze die Gelegenheit und frage ihn, was mich schon lange beschäftigt hat, wieso die gefallenen Soldaten nicht von Europa zurück in die Staaten überführt wurden; aus finanziellen oder logistischen Gründen nicht? Jack erklärt, dass sämtliche Angehörige, sowohl des Ersten wie des Zweiten Weltkrieges, angeschrieben wurden. Sie konnten wählen, ob sie eine Überführung wünschten. Ca. 35 % hätten sich, aus welchen Gründen auch immer, für die endgültige Bestattung vor Ort entschieden. Für mich eine überraschende Auskunft.
Weiter möchte ich von Jack wissen, wem das Land der Gedenkstätten gehöre. Die USA hätten die Grundstücke jeweils von den Besitzern gekauft, dieses Land hier von der französischen Regierung, weil es früher ein Übungsgelände war. Danach gingen die Grundbesitze für jeweils 1 Franc an Frankreich. Frankreich garantiert im Gegenzug die freie Nutzung als Friedhof auf unbegrenzte Dauer, ohne Gebühren und Steuern.
Und wie ist es mit der Reihenfolge der Gräber, Jack? Die sei willkürlich, wie auch die Zuteilung auf die verschiedenen Parzellen innerhalb des Areals, lautet die Antwort des freundlichen Amerikaners.
Der Hinweis auf die Limitierung ist heute obsolet; ich sehe nur Security und rasenmähenden Gärtner.
An zwei Gedenkmauern sind die Namen von 444 Vermissten der US-Armee und der amerikanschen Luftwaffe.
Die Rosetten bedeuten, dass die sterblichen Überreste der Vermissten später gefunden wurden.
Vor dem Wegfahren verabschiede ich mich von Jack und bedanke mich für seine bereitwilligen Antworten. Zwei Stunden fahren liegen noch vor mir. Bei schönem Wetter ein Vergnügen, heute kommt keine Glückseligkeit auf. Alle gefühlten fünf Minuten schaue ich auf die Uhranzeige. Wenn zwischendurch die Sonne scheint, spüre ich den Temperaturunterschied. Endlich, um halb vier erreiche ich Niederbronn-les-Bains. Im Hotel erkundige ich mich nach einem freien Massagetermin. Es klappt. In einer halben Stunde kann ich mich auf den Massagetisch legen. Der schmerzende Punkt zwischen den Schulterblättern sehnt sich nach wohltuenden Händen.
Beim frühen Blick aus dem Fenster sehe ich bereits die Sonne.
Auch die Heimfahrt wird unter kühlen Voraussetzungen stattfinden.
In der Route gebe ich neu die "schnellste Strecke" ein, mit Autobahn, Mautgebühren und allem. Ich will die Distanz nach Hause so schnell wie möglich hinter mich bringen. Bei all meiner Jammerei und Selbstbemitleidung denke ich an die Vorbereitungszeit zu dieser Tour zurück:
So benütze ich Schnellstrassen und Autobahnen, fahre aber nie die erlaubten 130 Km/h, und irgendeinmal steht "Bàle" zum ersten Mal am Strassenrand. Das beflügelt. Auf der Autobahnraststätte Pratteln mache ich nochmals einen Tank- und anderen Halt.
Um 14.40 Uhr bin ich in der Tiefgarage.
Welch ein Luxus! Mein Bagage kann ich in einem Rutsch in unsere Wohnung hochbringen.
Für mich ist es gut, also ist es das Ende. Ich bin froh, eine weitere Solo-Tour unfallfrei und ohne Pannen erlebt zu haben. Insgesamt waren es 3'193 Km. Die längste Tagesetappe waren die 371 Km am 12. Tag (Beginn Heimreise), die kürzeste mit 88 Km am 8. Tag (Normandie).
Meine Kawasaki VN 2000 bekommt einge gründliche Reinigung - „Nach der Tour ist vor der Tour“.